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Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 11/2000

2000/11

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Story

Seite 9

Musikmythencocktail

Die subversiven Verwandlungen des Esbjörn Svensson Trios

Komische Titel hat er schon. Das letzte Album hörte auf den kryptischen Titel „From Gagarins Point Of View” und der aktuelle Nachfolger heißt nicht minder hermetisch „Good Morning Susie Soho”. Und doch gehört gerade diese Mischung von persönlichem Witz und hintergründiger Provokation zu Esbjörn Svenssons künstlerischem Konzept. So wie er sich vor wenigen Monaten vom Langhaar-Hippie zur Stoppel-Glatze schor, so verwandelt sich der schwedische Pianist auch musikalisch permanent mit fröhlicher Subversion. Mal begleitet er seine Landsfrau Viktoria Tolstoy mit zartem Schmelz jazzgetönter Impressionen, mal traktiert er das Fender Rhodes an der Seite des Posaunisten Nils Landgren mit souldurchdrungener Lässigkeit. Allzu gewisse Einordnungen interessieren ihn nicht. Lieber nimmt er in Kauf, noch ein wenig unbekannt zu bleiben. Das wiederum gibt ihm die Kraft, aus sich selbst stilistisches Profil zu gewinnen, das ihn unterscheidbar zum improvisierenden Charakter macht. Und das man hört, empfindet. So wurde er in den vergangenen Jahren mehrfach hintereinander mit nationalen Preisen für das beste Jazzalbum oder auch als eigenständige junge Künstlerpersönlichkeit ausgezeichnet.

Esbjörn Svensson ist ein Phänomen, aber eines, das anders klingen würde, wenn er sich nicht auf sein hervorragendes Trio verlassen könnte. Die kammerjazzige Kleinformation ist mehr als eine Combo. Mit dem Schlagzeuger Magnus Öström verbindet den Pianisten eine lebenslange Freundschaft, die bei den Sandburgen im nachbarschaftlichen Garten anfing, rockmusikalischen Lärm im elterlichen Partykeller überwand, um schließlich 1990 ins eigene Jazz-Trio zu münden. Drei Jahre später stieß dann der Bassist Dan Berglund zu den Jugendfreunden und komplettierte das Gespann mit vollem Ton und modernen Stilinteressen zum funktionierenden Ensemble. Seitdem ist das Esbjörn Svensson Trio (EST) die Keimzelle gemeinsamer Kreativität. Es zehrt von der Treue und der Leidenschaft der Musiker, nicht nur als Solisten, sondern im Verbund gut klingen zu wollen. Und es hat die Kraft einer intuitiv harmonierenden Einheit, die Einflüsse von außen in individuelle Stellungnahmen verwandelt.

Denn das EST ist in mancher Hinsicht zeitgemäßer als vergleichbare Formationen. Behutsam fließen aktuelle Rhythmen der DJ-Szene und schräge Sounds aus der Trance-Abteilung in das swingende Gefüge mit ein. Sie verbinden sich mit Monk’schen Motivsplittern, humoristisch poppigen Zitaten und einer Prise Jarrett zum Musikmythencocktail der späten Neunziger, der sich mühelos ins neue Stiljahrhundert überführen lässt. So hat „Good Morning Susie Soho” alles, was ein Jazzalbum braucht: Den Esprit der Individualität und die Einbindung in die Traditionsbildung, den Witz der unkonventionellen Gestaltung und die Eingängigkeit der gemeinsamen Harmonie, den Swing der Spontaneität und den Groove der juvenilen Ausgelassenheit. Wird Zeit, dass die Jazz-Öffentlichkeit auch außerhalb der skandinavischen Gefilde auf dieses clevere Trio aufmerksam wird. Am Samstag, 18. November haben jedenfalls die Münchner die Gelegenheit, Svensson, Öström und Berglund live zu erleben. Dann sind sie im Rahmen der Reihe „Rising Stars“ von 21 Uhr an in der Unterfahrt zu Gast. Nicht verpassen!

Ralf Dombrowski

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