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Jazzzeitung

2011/03  ::: seite 19

education

 

Inhalt 2011/03

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: David „Fathead“ Newman Farewell: Schlagzeuger Joe Morello Geschichte: Louis Armstrong – Zum 110. Geburtstag und 40. Todestag no chaser: Das globale Dorf


TITEL - Horizonterweiterung
Jazz im Chor – wie geht denn das?

DOSSIER Festivals im Sommer 2011
Termine, Webadressen und ein Lineup


Berichte

Musik bei der jazzahead // Internationale Jazzwoche Burghausen 2011 // Kurt Weill Fest Dessau // Trondheim Jazzfestival 2011 // Messe jazzahead auf Expansionskurs


Portraits

Le Bang Bang // Johannes Enders // Helge Lien im Gespräch // „mit4spiel5“ // Jazzorchester Regensburg // Jazzkomponist Heiner Schmitz // Julian & Roman Wasserfuhr im Interview


Jazz heute und Education
Ulli Blobel, jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg, und das Festival Peitz // Julia Hülsmann und Peter Ortmann für die Bundeskonferenz Jazz auf der Musikmesse // In Münchens alter Jazzheimat starten zwei neue Locations // Abgehört: Zum 40. Todestag von Satchmo
Louis Armstrongs Solo über Ain‘t Misbehavin‘

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Spielwiese und Tramper-Idyll

Ulli Blobel, jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg, und das Festival Peitz

Zu Zeiten des Eisernen Vorhangs war Peitz im Spreewald, kurz vor der polnischen Grenze, ein Mekka des europäischen Avantgarde-Jazz. Organisator Ulli Blobel, der heute den Förderverein Jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg leitet, erweckt das legendäre Festival zu neuem Leben und veröffentlicht ein Buch zur Geschichte des Festivals.

Ulli Blobel

Bild vergrößernUlli Blobel

JazzZeitung: Herr Blobel, Sie haben oft gesagt, in Peitz wird es keine Jazzwerkstatt mehr geben. Warum nun doch?
Ulli Blobel: Stimmt, jahrelang hatte ich die Überzeugung: Was einmal ruht, soll ruhen. Zumal mein Kompagnon von damals, Jimmy Metag, aus gesundheitlichen Gründen nicht mitmachen kann. Angefangen hat es mit der Arbeit an dem Buch, die in mir viele Erinnerungen hervorgekehrt hat. Etliche Autoren und Musiker haben mich angesprochen, doch wieder was in Peitz zu machen. Also habe ich die Buchveröffentlichung zum Anlass dafür genommen.

JazzZeitung: Welche Bedeutung hatte Peitz für den DDR-Jazz?
Blobel: Ich würde ungeniert sagen: den größten. Nichts hatte auf den DDR-Jazz mehr Einfluss als Peitz. In unserem Buch, in dem ich selbst noch die zurückhaltendste Stimme habe, werden Sie das oft lesen.

JazzZeitung: Das Buch ist also keine Autobiografie?
Blobel: Nein, da erinnern sich verschiedene Autoren und Musiker an Peitz. Zum Beispiel der Schlagzeuger Baby Sommer, der Jazzkritiker Bert Noglik und der Historiker Stefan Wolle, der das Thema in einen kulturpolitischen Rahmen setzt. Oder Christoph Diekmann, der schon viel über DDR-Kultur geschrieben hat. Alles Leute, die damals dabei waren.

Ein Bild aus alten legendären Tagen… Fotos: jazzwerkstatt

Bild vergrößernEin Bild aus alten legendären Tagen… Fotos: jazzwerkstatt

JazzZeitung: Im Buch wird häufig der „Geist von Peitz“ beschworen. Was verbirgt sich dahinter?
Blobel: Das deutet der Titel „Woodstock am Karpfenteich“ schon an. Peitz war eine Tramper-Idylle, eine alternative Spielwiese, ein großes Happening. Die Musik stand nicht immer im Vordergrund. Das war mir gar nicht so recht; ich wollte schließlich den Jazz präsentieren. Vor allem kamen junge Leute.

JazzZeitung: Wie konnten Sie westeuropäische Musiker hinter den Eisernen Vorhang holen?
Blobel: Eine wichtige Rolle spielte der Saxophonist Friedhelm Schönfeld, der damalige Musikdramaturg des Theaters im Berliner Palast der Republik. Er konnte dort ohne große Einschränkungen seine Programmvorstellungen durchsetzen und Musiker aus dem westlichen Ausland einladen. Durch seine Kontakte zu den Kulturbehörden ermöglichte er die ersten Konzerte westlicher Gruppen außerhalb Berlins; das gab Peitz den entscheidenden Auftrieb.

JazzZeitung: Es kamen sogar größere Ensembles aus Westeuropa. Wie haben Sie deren Anreise finanziert?
Blobel: Der Auftritt des London Jazz Composers Orchestra zum Beispiel wäre nicht möglich gewesen ohne die 20 Flugtickets, die es von der britischen Botschaft als Geschenk gab. Auch die Vertretungen von Holland oder der Schweiz haben die Teilnahme ihrer Landsleute gesponsert. Bei westdeutschen Gästen zahlte die Bundesregierung die Hälfte der Peitzer Gage in D-Mark.

JazzZeitung: Was verbinden Sie persönlich mit Peitz?
Blobel: Peitz ist meine Heimatstadt. Meine Mutter und meine Geschwister leben noch da. Ich kümmere mich um das Elternhaus. Dann gibt es noch Neffen und Nichten zuhauf. Peitz war für mich die ganze Zeit unser familiäres Zentrum – bis auf diese fünf Jahre, als ich in Wuppertal lebte und nicht in die DDR durfte.

JazzZeitung: Warum wurde die Jazzwerkstatt verboten?
Blobel: Im Mai 1982 untersagte uns die Polizei, das anstehende Open Air im Sommer durchzuführen. Eine Begründung gab es nicht. Das Programm stand schon fest, die Musiker waren eingeladen, die Programmflyer verschickt. Alle Musiker haben Eingaben gemacht, wie es in der DDR üblich war, bis hinauf zu Honecker. Das hat alles nichts bewirkt.

JazzZeitung: Sie haben dann in Wuppertal einen Musikvertrieb gegründet. Vor ein paar Jahren sind Sie zum Jazz zurückgekehrt und nach Berlin gezogen. Warum?
Blobel: Erstens ist dieses turbulente Geschäft in meinem Alter nicht mehr das Richtige. Zweitens ist die Branche quasi tot. Im vergangenen Jahrzehnt schrumpfte der Umsatz jährlich um zwanzig Prozent. Als ich noch im Vertrieb aktiv war, belieferte ich in Hamburg 14 große Läden mit Jazzabteilungen. Heute gibt es noch einen, glaube ich.

JazzZeitung: Vielleicht sind Sie auch gerade in einer nostalgischen Lebensphase?
Blobel: Das hat sich alles so ergeben. Hätten Sie mich vor ein paar Jahren nach einer Neuauflage von Peitz gefragt, hätte ich gesagt: Das ist zu viel des Guten.
Ich war nie jemand, der an der Vergangenheit hängt. Ich habe ja auch problemlos die DDR und meinen alten Job abgelegt. Aber vielleicht hat es auch etwas mit dem Alter zu tun, dass man eher die Vergangenheit Revue passieren lässt.

Gespräch: Antje Rößler

Buch incl. CD:

Ulli Blobel (Hg.): Woodstock am Karpfenteich. Subkultur hinter dem Eisernen Vorhang, jazzwerkstatt, 19,90 Euro

www.jazzwerkstatt.eu

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