Anzeige

Startseite der Jazzzeitung

Anzeige

Startseite der JazzzeitungZum Archiv der Jazzzeitung (Datenbanken und pdf)Zur Rezensionsdatenbank der JazzzeitungZur Link-Datenbank der JazzzeitungClubs & Initiativen Die Jazzzeitung abonnierenWie kann ich Kontakt zur Jazzzeitung aufnehmen
 

Jazzzeitung

2011/02  ::: seite 4

berichte

 

Inhalt 2011/02

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Charlie Mariano Farewell: George Shearing


TITEL - Basar der Perspektiven
Über den Jazz in der arabischen Welt

DOSSIER Im Osten viel Neues
Die Pianisten Djangirov, Hamasyan und Neselovskyi


Berichte

Lisa Bassenge entdeckt ihre Muttersprache // Bujazzo: Frühjahr-Arbeitsphase // Das Festival Women in Jazz // Armin Mueller-Stahl veröffentlicht mit 80 Jahren sein Debüt-Album


Portraits

Brigitte Angerhausen // Nguyên Lê // Vokalquartett „Niniwe“ // Magnus Öström // Klaus Treuheit // Neuer Deutscher Jazzpreis 2011 // Neue CDs von Acoustic Music


Jazz heute und Education
Jazz e.V. Dachau ist umgezogen // Zwölf CDs mit Schätzen der „Free Music Production“ // jazzahead! 2011: ein Interview mit Ulrich Beckerhoff // Südtirol Jazzfestival 2011 // Jazz-Workshop für Studenten und Amateure im Münchner Gasteig // Abgehört: Zum 85. Geburtstag von Miles Davis
Miles Davis’ Solo über „Sweet Pea“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Halles Strassenfeger

Das Festival Women in Jazz in seiner sechsten Auflage

Cristin Claas war es vorbehalten, das Abschlusskonzert des sechsten Festivals Women in Jazz in Halle zu bestreiten. In der Ulrichskirche mitten im Stadtzentrum und seit Tagen ausverkauft. Das allein ist nichts Besonderes, denn die Sängerin, eine der Vielseitigsten im weiten Feld zwischen Klassik und Pop, ist längst an volle Hallen gewöhnt. Es zeichnet sie aus, dass sie nicht allein mit ihrem guten Namen in Halle ankam, sondern mit dem Mut zum Außergewöhnlichen. Mit dem Universitätschor der Stadt an der Saale hatte sie ein außergewöhnliches Programm erarbeitet und es „In einem Meer aus Stimmen“ betitelt. Mal laut, mal leise, viel Wert auf Pausen legend. „Mir kam es so vor, als würden wir schon jahrelang gemeinsam spielen. Dabei haben wir nur einmal vorher geprobt.“ – „Furios, mehr fällt mir dazu nicht ein“, freute sich Festival-Organisator Ulf Herden nach der x-ten Zugabe, dem Finale „seines“ Festivals, das eine ganze Woche lang der Straßenfeger in Halle war.
 

Ofri Brin. Foto: Roland Heinrich

Bild vergrößernOfri Brin. Foto: Roland Heinrich

Cristin Claas stand geradezu symbolhaft für ein Jazz-Festival, eines der außergewöhnlichsten in Deutschland. Es ist nach wie vor fast ausschließlich Frauen vorbehalten. Die großen, bekannten Namen waren wieder am Start. Sidsel Storm. China Moses, Randi Tytingvag und Claas eben. Und doch zum großen Teil in neuem, bislang nicht gehörtem Umfeld. Neben den Konzerten im regelmäßig mit seinen 680 Plätzen ausverkauften Opernhaus in Halle ging das Festival auch erstmals in kleine Clubs.

Zum Beispiel in den urigen Szene-Laden Objekt 5, sonst eher der experimentellen Rock-Musik vorbehalten. Auch dort hieß es ganz schnell „Ausverkauft“. Die kanadische Sängerin Caroline Keating, 22 Jahre alt, ausgestattet mit allen verständlichen und verzeihlichen Sprachbarrieren, begeisterte dort ihr Publikum. Weitgehend allein am Klavier, immer einen guten Schluck Rotwein in greifbarer Nähe, sang sie von Träumen, Nöten, Liebeskummer. Bemerkenswert unverkrampft, immer wieder über sich selbst lachen könnend. Zum Beispiel über ihre fehlenden Deutsch-Kenntnisse. Göttlich die Anmoderation ihrer Zugabe „Das ist ein Noch-einmal“. Sie durfte selbstverständlich noch einmal, das Eis war längst gebrochen. Auch für Teil Zwei des Club-Abends mit der in Israel geborenen, seit sechs Jahren in Berlin lebenden Sängerin Ofrin Brin. Wesentlich bühnenerfahrener, wesentlich wandelbarer auch im Ausdruck ist sie. Unterstützt wurde sie von dem trefflichen Gitarristen Oded Kaydar und einem raffinierten Computerprogramm, das mal nicht aufdringlich laut und schrill daherkam, sondern das tat, was es tun sollte. Liedtexte untermalen. „Dieser Club-Abend schreit schon fast nach einer Wiederholung“, war Ulf Herden stolz auf seinen Geniestreich. Kreativität hatte sich ausgezahlt, das Festival hatte sich ein Stück weit selbst neu erfunden.

Ebenfalls neu im Festival-Programm war ein Abend im gediegenen Café des Opernhauses, vorbehalten einem eigenen und überaus vorzeigbaren Beitrag aus der Stadt Halle. Die Band „women jazz enough“ hatte sich im Rahmenprogramm des Festivals erstmals vor einem Jahr vorgestellt und ist seitdem gut zusammengewachsen. Die beiden Sängerinnen Antje Brömme und Mirjam Fischer kamen weitgehend südamerikanisch, genauer gesagt brasilianisch, daher und ließen viel Raum für Susann Stephan, die herausragende Solistin an der Klarinette. Fast hätte man meinen können, alle Stücke wären hauptsächlich geschrieben worden, um Susann herauszustellen. Fehlanzeige. „Ich bin eigentlich das jüngste Band-Mitglied, erst seit einem Vierteljahr dabei. Aber es stimmt schon, ich will jedem Stück meine eigene Note geben“, sagt sie. Susann Stephan schafft das, auch, weil sie im Festival-Sog in Halle inzwischen genügend Möglichkeiten für Live-Auftritte hat, Bühnenerfahrung sammeln konnte.

Was Susann Stephan inzwischen hat, darauf warten die Sängerin Marion Fiedler, die Pianistin Dara Navrodska und die Geigerin Zuzana Leharova noch. Deshalb nahmen sie dankbar neben einem weiteren Dutzend junger Musikerinnen die Einladung zu einem Workshop für Komposition und Arrangement in Halle an. Die Pianistin Julia Hülsmann und die Saxofonistin Caroline Thon, beide mit ihren eigenen Bands ebenfalls im Hauptprogramm des Festivals, kümmerten sich als Dozenten eine Woche lang rührend um den Nachwuchs. Rund um die Uhr wurde geprobt, Mittagspausen wurden gestrichen, „eigentlich hätte man mehrere Feldbetten im Probenraum aufbauen müssen“ (Hülsmann). Heraus kamen 13 anhörenswerte Stücke von bemerkenswerter stilistischer Bandbreite, das Sprungbrett praktisch für kommende Musiker-Karrieren. „Ich musste nicht lange überlegen, als Ulf Herden mit dieser Idee zu mir kam. Dieses Projekt ist für junge Musiker einfach unbezahlbar. Ich wäre froh gewesen, hätte ich zum Beginn meiner Karriere diese Möglichkeit gehabt“, freute sich Julia Hülsmann nach einer anstrengenden Woche. „Das war einfach Klasse“, sagte auch Ulf Herden, der seine Gedanken schon einmal ein paar Jahre vorauseilen ließ. „Ich bin überzeugt, dass wir die eine oder andere junge Musikerin ganz schnell in Halle wiedersehen werden. Im Hauptprogramm, mit eigener Band.“ Mit Janis Kapetsis bastelt er schon am Festival 2012. „Das wird die siebte Auflage. Das ist ja eigentlich eine Unglückszahl, aber uns ist nicht bange. Wir haben noch jede Menge Ideen.“ Und für die kommenden beiden Jahre auch die finanzielle Unterstützung der Stadt Halle. Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados hat das trotz der deutschlandweit typischen leeren Kassen im Rahmen des Festivals zugesichert.

Gottfried Schalow
 

| home | aktuell | archiv | links | rezensionen | abonnement | kontakt | impressum
© alle texte sind urheberrechtlich geschützt / alle rechte vorbehalten / Technik: Martin Hufner