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Ausgabe November 1998

PORTRAIT

Mit der Tochter auf Tournee

Jimmy Woodes Lebenselexier zum Siebzigsten: "Jazz A-Plenty"

Autor:
Mike Hennessey

Übersetzung:
Reinhard Köchl

Fotos:
Helge Heinemann

jwoode.jpg (11481 Byte)Es entbehrt nicht einer gewissen Tragikomik, wenn man in einem Haufen von Zwergen einfach einen leibhaftigen Riesen übersieht. Da lebt ein amerikanischer Gigant des Jazz seit gut 38 Jahren mitten in Europa, doch dessen selbstauferlegte, ja fast kontraproduktive Zurückhaltung sowie unsere leidige Angewohnheit, ausschließlich den bekannten Gesichtern Aufmerksamkeit zu schenken, versperrten bislang den Blick auf seine wahre Größe.

Die Rede ist von James Bryan Woode aus Philadelphia, als Bassist hochangesehen, glühend verehrt und allseits geachtet. Seit er sich 1960 entschloß, den USA den Rücken zu kehren, lebte er in der "Alten Welt": zunächst in Stockholm, dann in Köln, Amsterdam, München und im Laufe der zurückliegenden 14 Jahre in der Schweiz. Daß ich bei einigen Gelegenheiten mit diesem außergewöhnlichen Musiker spielen durfte, ist für mich ein seltener Glücksfall, eine wertvolle, unverzichtbare Erfahrung, ein echtes Privileg.

Nicht bloß, weil es sich bei Woode um einen erstklassigen Bassisten mit außergewöhnlichem harmonischen Gespür sowie einer erstaunlich breitgefächerten Kenntnis über nahezu alle im Umlauf befindlichen Jazzkompositionen handelt. Vielmehr kennzeichnet den Mann eine besondere Form von Hilfsbereitschaft, die in der Szene ihresgleichen sucht. Einem ausgemachten Riesen wie ihm käme es nämlich nie in den Sinn, einen vermeintlichen Zwerg einfach in die Ecke zu drängen. Woode ermuntert und inspiriert seine Partner, er besitzt die Gabe, aus jedem das Optimum herauszukitzeln. Was Wunder bei der beeindruckenden Latte an Projekten, bei denen er im Laufe eines halben Jahrhunderts mitwirkte, der gewaltigen Liste jener bedeutenden Künstler, die ihn engagierten. Nahezu die gesamte Bandbreite der Jazzstile kommt dabei zusammen: Benny Bailey, Milt Buckner, Don Byas, Donald Byrd, Serge Chaloff, Sonny Criss, Miles Davis, Clark Terry, Eric Dolphy, Booker Ervin, Dizzy Gillespie, Dexter Gordon, Johnny Griffin, Lionel Hampton, Hampton Hawes, Coleman Hawkins, Helen Humes, Ramsey Lewis, Jay McShann, Albert Nicholas, Bud Powell, Mal Waldron und Ben Webster – nur um einige aufzuführen. Woodes delikate Baßlinien prägten hunderte von Aufnahmen, aber für die Aufzählung der Platten, die unter seinem eigenem Namen entstanden, braucht es nicht einmal eine Hand. Auf Anhieb fällt mir lediglich ein einziges Album unter seiner Leaderschaft ein: "The Colourful Strings Of Jimmy Woode" (Argo), unter anderem mit Paul Gonsalves, Clark Terry und Sam Woodyard, vom 2. September 1957.

Vor einigen Wochen, genauer gesagt am 23. September, stand Jimmy Woode vor der undankbaren Aufgabe, angemessen seinen 70. Geburtstag zu feiern. Er tat es auf eine Art, die seine ganze genetische Befähigung zur Musik zum Ausdruck bringt: Mit seiner Tochter, der Sängerin Shawnn Monteiro, dem Tenorsaxophonisten Andy McGhee, dem Pianisten Dado Moroni und dem Drummer Keith Copeland bestritt er eine "Jazz A-Plenty"-Tour durch Europa. Denn an entsprechenden Erbanlagen mangelte es Jimmy Woode fürwahr kaum. Der Neffe des Teddy-Hill-Posaunisten Henry Woode und Sohn eines renommierten Musiklehrers erblickte 1928 in Philadelphia das Licht der Welt.

Während des Studiums in seiner Heimatstadt und später in Boston vertiefte er sich zunächst in die Geheimnisse des Baritonhorns und des Pianos. Im Anschluß an seine Zeit bei der Army folgte ein Engagement als singender Pianist im Vokalensemble "The Velvetaires", bis er schließlich sein eigenes Trio gründete und sich 1948 durch Mose Allen, den Bassisten des Jimmy Lunceford Orchesters, für den warmen Klang dieses klobigen, hölzernen Korpus begeistern ließ.

Von nun an widmete Jimmy seine Laufbahn ausschließlich den tiefen Tönen. 1949 tourte er mit Flip Phillips, ging 1950 mit Zoot Sims und Toots Thielemans ins Studio, spielte im gleichen Jahr mit Sarah Vaughan sowie Ella Fitzgerald und wurde für zwei Jahre Hausbassist in George Weins "Storyville Club" in Boston. Aus dieser Periode stammen Aufnahmen mit Charlie Parker aus dem Bostoner "Hi Hat Club" (Dezember 1953 und Januar 1954) sowie mit Billie Holiday und Sidney Bechet. 1955 schlug Jimmy Woodes große Stunde, als er Junior Ranglin im Orchester Duke Ellingtons ersetzte. "Fünf Jahre, vier Monate, zwei Wochen und zwei Tage – die wichtigste Zeit meines Lebens.

Unmittelbar danach wanderte er nach Schweden aus, verdingte sich bei unzähligen Radioaufnahmen oder als flexibler Sideman für amerikanische Gaststars und schloß sich 1961 der Clarke-Boland-Bigband an, deren Mitglied er bis zur Auflösung im Jahr 1973 blieb.

Brian Priestly liegt schon richtig mit seiner Beobachtung, daß Jimmy Woode stellvertretend für die gesamte friedliche Invasion amerikanischer Musiker in Europa steht. Deshalb: Happy Birthday James!

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