logo.GIF (1963 Byte) Aktuelle Ausgabe Jazz in München Jazz in Hamburg Jazz live

Ausgabe November 1998

STORY

Söhnlein Brilliant

Joshua Redman in München und Hamburg

Autor:
Ralf Dombrowski

Fotos:
Ssiurs W. Pakzad

 

Diskographie:

Joshua Redman: Timeless Tales (For Changing Times) (Warner/WEA 9362-47052-2)

Konzerte:

16.11. München, Bayerischer Hof

22.11. Berlin, Quasimodo

24.11. Hamburg, Fabrik

 

redman.jpg (18196 Byte)Die Talare haben ihn schon immer abgeschreckt. Joshua Redman hatte sein summa cum laude in Harvard bereits in der Tasche. Doch er griff lieber zum Saxophon, als zum Aktenordner, um sein Leben zu gestalten. 1991 gewann er die Thelonious Monk Competition, seitdem geht es mit dem inzwischen 29jährigen Jungstar der amerikanischen Mainstream-Szene bergauf.

Joshuas Vater liebt die rauhen Töne. Dewey Redman drückte bereits mit Ornette Coleman die Schulbank, gehörte als energischer Tenorsaxophonist bald zum Zirkel der Free-Experimentatoren und gilt heute als einer der stilprägenden Gestalten des modernen Jazz. Seinen Sohn jedoch beeindruckt das wenig: "Ich bin eigentlich ohne meinen Vater groß geworden. Sein Einfluß ist da nicht größer als der von Sonny Rollins, John Coltrane, Ornette Coleman, auch wenn ich viel seine Musik gehört habe. Das Instrument hat mich begeistert, nicht die Tatsache, daß es mein Vater spielte. Diese Faszination liegt an der Bandbreite der Ausdrucksmöglichkeiten am Saxophon, die von Kraft und Herausforderung bis zu Zärtlichkeit und Sanftheit reicht. Außerdem hat es eine enorme vokale Qualität und ist der menschlichen Stimme sehr nahe. Das gefällt mir, denn ich möchte eigentlich singen. Ich kann es nicht mit meiner Stimme, also versuche ich es mit dem Saxophon".

Joshua Redman hat mit dieser Einstellung trotz der avantgardistischen familiären Vorbedingungen ein unbeschwertes Verhältnis zur Klangüberlieferung entwickeln können. "Tradition gibt es für mich nicht als feste Bezugsgröße. Sie wird erst dann wichtig, wenn sie eine Beziehung zur Gegenwart hat. Man kann sie sich wie eine Sprache vorstellen, die vor langer Zeit entwickelt wurde, aber immer noch verwendet wird. Denn es geht nicht darum, sich vor der Vergangenheit zu verneigen, sondern sie für die Gegenwart nutzbar zu machen, um die Zukunft zu gestalten."

Mit einem Lächeln auf den Lippen formuliert Redman das Credo des postmodern verschmitzen Neo-Konservativismus. Tradition ist zugleich Ersatzteillager und Inspirationspool musikalischer Motivik und steht für die Auflösung eines Zwiespalts, der für Vater Dewey noch ein Problem war, für Sohn Joshua aber bereits eine Chance darstellt. Denn der Pfiffikus am Saxophon kann sich die genialischen Bezugnahmen ohne dekonstruktive Impulse leisten. Er hat den normrelativierenden Zeitgeist im Rücken, verfügt spieltechnisch und interpretatorisch über das gestalterisch notwendige Potential und hat die passenden Begleiter, um mit den Überlieferungsfragmenten zu jonglieren. Der Pianist Brad Mehldau, der Kontrabassist Larry Grenadier und der Schlagzeuger Brian Blade sind ihrerseits in der Lage, die Ausdrucksmöglichkeiten der Stilerbstücke zu erweitern. So wird "Timeless Tales (For Changing Times)" (Warner) zum schlendernden Streifzug des Quartetts durch ein Jahrhundert vielfältiger Kompositionsgeschichte. Das Repertoire reicht von George Gershwin und Cole Porter bis zu den Beatles und Prince und dokumentiert ebenso persönlich wie überzeugend das Nebeneinander der kreativen Impulse. "Ich habe die Lieder nach meinen Vorlieben ausgewählt. Sicher ist es möglich, die einzelnen Epochen noch zu identifizieren, die zu den Songs gehören. Trotzdem wollte ich eigentlich das Gegenteil erreichen. Wenn wir zum Beispiel ,Summertime‘ oder ,Eleanor Rigby‘ spielen, geht es eben gerade nicht darum, die Lieder nostalgisch klingen zu lassen. Ich will sie vielmehr für eine Jazzband beleben, die in der Gegenwart spielt."

Das ist nicht neu, aber konsequent. Denn Joshua Redman kultiviert selbstbewußt die Individualität auf der Basis der Vergangenheit und schafft es genau dadurch, seinen Sound und seine Sprache zu finden, ohne mit den Ahnen zu brechen. Das macht "Timeless Tales" zu einem in sich stimmigen, evolutionären, nicht revolutionären Dokument der Traditionspflege.

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