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Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 6/2000

2000/06

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Interview

Seite 10

Der Arrangeur des Swing

Gerhard Klußmeier im Gespräch mit Billy May

Billy May, geboren als William Edward May am 10. November 1916, „ist der wohl vielseitigste Arrangeur, den die Swing-Ära hervorgebracht hat“ („Lexikon des Jazz“ von Jürgen Wölfer) – wer Ohren hat zu hören, kann dem nur uneingeschränkt zustimmen. Auf über 500 Seiten, in dem Buch „The Music of Billy May“ von Jack Mirtle, ist nun sein umfangreiches Werk dokumentiert. Die Diskografie erweist sich als aufschlussreiche Dokumentation eines der wichtigsten Kapitel der klassischen amerikanischen Bigband-Musik und des Top-Entertainment. Der große alte Mann dieser zeitlosen Klänge lebt heute 83-jährig in neuem Domizil in Los Angeles. Anlässlich des Erscheinens seiner Diskografie hatte Gerhard Klußmeier die Gelegenheit, Billy May zu seiner Musik und seiner Arbeit zu interviewen.

Jazzzeitung: Können Sie mir sagen, wie viele Titel Sie für sich und für andere arrangiert haben?

Billy May: Anhand des Buches von Jack Mirtle habe ich einmal schnell überschlagen und komme auf fast 3.000 aufgenommene Songs oder Musikstücke – nicht gerechnet die Arbeiten für Film und Fernsehen. Nelson Riddle und ich waren uns in den ersten Jahren der Nachkriegszeit schnell einig darüber, dass wir es uns als Arrangeure nicht leisten konnten, irgend etwas abzulehnen – wenn wir in den USA davon leben wollten. Das führte dazu, dass wir nahezu alles machten, um das wir gebeten wurden. War zum Beispiel eine neue Frank-Sinatra-Platte ein Hit, kamen sofort die Anfragen nach dem Arrangeur.

Jazzzeitung: Wenn es in den 50er- und 60er-Jahren eine neue Schallplatte, ein neues Album von Frank Sinatra oder Nat King Cole gab, war der Name Billy May dabei die Garantie für mehr Swing, für mehr „our kind of music“. Wie war es damals, wie wurde die Musik bei Capitol geplant, wer hatte die Idee dazu – Sinatra, Cole, Billy May, der Produzent – woher kamen die Vorschläge, eine LP in einer bestimmten Weise zu machen?

May: Die Idee zu einem Album kam eigentlich von allen, die Sie genannt haben, vom Künstler oder dessen Manager, von den Arrangeuren oder auch von anderen Musikern wie dem Proben-Pianisten – und manchmal auch von allen gemeinsam.

Jazzzeitung: Viele Ihrer Platten und Alben waren Bestseller, einige wurden mit einem Grammy ausgezeichnet. Können Sie mir ein Album oder einen Titel nennen, auf den Sie – abseits der Erfolge – stolz sind?

May: Nun, ich war wirklich sehr geschmeichelt, als mich 1967 nach dem Tod von Billy Strayhorn, Frank Sinatra und Duke Ellington baten, die Arrangements für das Album „Francis A. and Edward K.“ bei Reprise zu machen. Billy Strayhorn und ich waren ja seit 1938, noch aus unserer gemeinsamen Zeit in Pittsburgh, befreundet gewesen. Das ist ein Album, das ich sehr schätze, und ich bin froh, dass ich es machen durfte.

Jazzzeitung: Die Arbeit mit den Stars – und Sie arbeiteten mit vielen, so auch mit dem als schwierig angesehenen Frank Sinatra. War es insgesamt gesehen einfach oder hatten die „Auftraggeber“ eigene konträre Ideen?

May: Sinatra hatte ein gutes musikalisches Feeling für alles was wir gemeinsam machten, da gab es keine Probleme – aus meiner Erfahrung mit ihm – es war meistens überaus erfreulich. Ich weiß aber auch , dass er in dieser Hinsicht mit anderen oft Schwierigkeiten hatte.

Jazzzeitung: Für einige Songs, so ist der Diskografie von Jack Mirtle zu entnehmen, haben Sie mehr als nur ein Arrangement geschrieben. Nun war es doch wohl nicht einfach, etwas Neues aus einer Melodie zu machen, wenn man das frühere, wohl auch perfekte Arrangement noch im Sinn hat. Wie haben Sie das gehandelt?

May: Nun ja, es war schon schwierig, Songs noch einmal zu arrangieren. Wenn ich mich darüber beklagte, ein neues Arrangement zu schreiben, sagte Frank Sinatra: Stell dir einfach vor, du selbst müsstest es noch mal singen, und dann ging es irgendwie.

Jazzzeitung: Sie haben zu vielen Filmen die Musik geschrieben, nicht nur arrangiert, sondern auch komponiert. Einen dieser Soundtracks – zu dem MGM-Film „Johnny Cool“ – zu deutsch „Die Rache des Johnny Cool“ (1962), gibt es jetzt auf CD (RYKO 10744).

May: In den 60er-Jahren wurden alle Filme auf die gleiche Art gemacht: Der Streifen wurde in einzelne Segmente zerlegt, der musikalische Leiter bestimmte die Zeit für diese Teile und gab dem Komponisten die Vorgaben, sogenannte Que Sheets. Der schrieb dann dazu die Musik und hoffte, dass es passte. So war es auch bei „Johnny Cool“. Natürlich kannte ich auch die Handlung, das Genre des Streifens, so dass ich mich darauf einstellen konnte.

Jazzzeitung: Als Sie um 1971 die Musik für das Mammut-Projekt „Die Swing Ära“ bei Time-Life machten, kopierten Sie überwiegend „Ihre“ Musik, die, die Ihnen lag, – „Your kind of Music“ also. Doch als Sie die hier bei uns völlig unbekannte Fortsetzung „As You Remember Them“ einspielten, traf das wohl nicht mehr zu. Waren Sie da nicht in Versuchung, hier und da etwas zu verbessern, vielleicht doch ab und zu etwas „Billy May“-Touch hinzuzufügen?

May: Keineswegs. Die Aufgabe bestand ja darin, bei den Neu-Einspielungen exakt das zu kopieren, was auf den Original-Platten zu hören war. Einiges davon war flau und vieles machte auch reine Freude. „As You Remember Them“ war ein Versuch, die gleiche Idee wie bei der Swing Ära durch die 50er-Jahre fortzusetzen. Doch es war nicht annähernd so erfolgreich.

Jazzzeitung: Billy May, wir danken Ihnen für dieses Gespräch – und weiterhin alles Gute für Sie.

Interview:
Gerhard Klussmeier

Buch-Tipp
Jack Mirtle: The Music of Billy May, Greenwood Press Westport, Connecticut. London. XXV, 529 Seiten, 10 Seiten Fotos. DM 222,60 (bei Rücker, Schmitten)

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