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Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 5/2000

2000/05

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Kurz & Wichtig

Seite 11-12

Auch jenseits der großen Festivalereignisse (siehe unsere Berichte auf den Seiten 24–27) gibt es im Mai noch eine Menge Hörenswertes. Der Bayerische Hof zum Beispiel lockt mit vielen klangvollen Namen in seinen Nightclub. Den Tag der Arbeit etwa kann man dort bei einem Martini und Maynard Ferguson begehen. Am 1. Mai drängelt sich der Rekordbläser mit seinem Big Bop Nouveau Ensemble auf der Bühne am Promenadeplatz und demonstriert, dass er noch immer die höchsten Töne der Szene blasen kann – abgesehen von ein paar Kubanern vielleicht.

Tags darauf erwartet eben dort die Sängerin Virginia Rodrigues (2.5.) alle Freunde der Música Popular Brasileira. Mit blumigen Worten von Kapazitäten wie Caetano Veloso als aufsteigender Stern am südamerikanischen Musikhimmel gelobt, gehört sie zu den akustischen Entdeckungen des Wonnemonats, die mit reichlich juvenilem Charme in der Stimme einen Hauch von Sommer vorwegnimmt.

Am 9. Mai wiederum wird’s heftig. Denn Hiram Bullock zählt zu den Gitarristen, die schon mal lärmend in die Saiten greifen können, trotzdem aber ein Gespür für dramaturgische Klangbalance entwickelt haben. Das machte ihn bei Kollegen wie Miles Davis, Carla Bley oder Gil Evans beliebt und verspricht im Trio mit Frank Gravis am E-Bass und Clint De Ganon am Schlagzeug ein Fest für Fusion-Fans und Funky-Freaks zu werden.

Anstelle des geplanten Abends mit den Gitarristen Egberto Gismonti und Nando Carneiro kommen am 10.5. Jakov Solodky und seine „Latin Visit“ auf Besuch in den Nightclub des Hotels Bayerischer Hof. Mit dabei Manolo Diaz, Bass, Victor Alcanára, Piano, Till Martin, Saxophon, Tomas Stötzer, Timbales und Karl Lehermann, Trompete

Und schließlich gibt es noch ein herausragendes Konzert im Bayerischen Hof. Denn am 28. Mai macht Jack DeJohnette mit seinem neuen Trio im Nightclub Station. Am Klavier sitzt Danilo Perez, den Bass zupft Jerome Harris. Da kann kaum noch etwas schief gehen.

Für die Unterfahrt ist der Mai ein Monat der Entspannung. Nach den zahlreichen Highlights der vergangenen Wochen konzentriert sich Jason Seizer in seiner Programmplanung auf die einheimischen Jazzgrößen und ihre Projekte. Johannes Enders zum Beispiel ist am 5. Mai im Quintett mit dem Altsaxofonisten Vincent Herring zu Gast, um seine frisch gebrannte CD „Quiet Fire“ zu präsentieren. Am 8. Mai macht der Pianist Claus Raible mit dem International Sextett Station und am folgenden Abend demonstriert der Exil-russische Trompeter Valery Ponomarev (9.5.), dass er durchaus mit der Jazzlegende Jimmy Cobb am Schlagzeug mithalten kann. Noch bevor das Jazz & More Festival seine Reihe The Art Of Dialogue in der Einsteinstraße vorstellt, gastiert außerdem mit Harry Allen (20.5.) ein junger Tenorist, der in Japan längst als Star gehandelt wird. Sanft im Ton und traditionell in der Darstellung ist er zur Zeit der wohl talentierteste Adept von Stan Getz, den die Szene zu bieten hat. Ein besonderer Abend für alle, die den Sound der Fünfziger lieben.

Zwei junge Bandleader, deren Projekte Aufmerksamkeit verdienen, gastieren ebenfalls unter Tage in der Unterfahrt. Am 11. Mai das Robert Probst Quartett, das sich an einer Melange aus U und E, aus Klassik, Mainstream Jazz und Avantgarde versucht. Und am 13. Mai die Sängerin Barbara Roberts mit ihrem Quintett. Die Münchnerin zollt mit ihrem Programm Billie Holiday Tribut.

Es ist erstaunlich, aber es funktioniert. Auch wenn Johannes Faber vor der Premiere seiner Reihe Jazz Im Gärtnerplatz der kalte Schweiß auf der Stirn stand, so hat er es dennoch geschafft, ein neues Forum für hochkulturell präsentierten Jazz zu etablieren. Die ersten Konzerte waren ausverkauft, mit dem Modern String Quartett könnte es am 2. Mai ähnlich werden. Denn wer passt besser in die Räumlichkeiten eines Theaters als Jörg Widmosers Grenzgänger-Ensemble. Und da der offizielle Rahmen für die moderaten Klänge der Improvisation beim Publikum offenbar auf Gegenliebe stößt, versucht Faber ein ähnliches Konzept in der Lach- und Schießgesellschaft. Am 12. Mai kann man den wieder erstandenen Trompeter dort mit seinem Trio und dem Special Guest Hermann Breuer an der Posaune hören.

Ein Blick ins Umland. Seit meh reren Jahren bereits veranstaltet das Kallmann-Museum in Ismaning (Schlossstrasse 3b) eine Reihe mit akustischen Jazz-Konzerten. Viele einheimische Musiker hatten dabei die Gelegenheit, sich im gepflegten Ambiente der Ausstellungsräume zu entfalten. Am 26. Mai nun steht ein Gastspiel der Sonderklasse auf dem Programm. Denn der Hamburger Pianist Jens Thomas ist derzeit einer der versiertesten Newcomer der deutschen Szene, der sich mit dem Saxofonisten Christof Lauer einen ebenso renommierten alten Hasen als Duo-Partner ausgesucht hat. Das könnte ein großer Abend werden, also nicht verpassen. Das Bürgerhaus Unterschleißheim kontert wenige Tage zuvor mit einer Jazzlegende. Denn der Pianist Les McCann (11.5.) hat im Laufe seiner Bühnenjahrzehnte nicht nur mit nahezu allen Größen seines Fachs gespielt, sondern ist darüber hinaus bis heute einer der großen Stilisten des boppenden Mainstreams geblieben.

Und auch das Jazz-Studio Nürnberg hat im Mai reizvolle Konzerte zu bieten. Am 5.5. zum Beispiel lädt der Schweizer Pianist George Gruntz mit seinem Trio zum postswingenden Stelldichein. Am 15.5. hat sich Gitarrenlegende Jim Hall angesagt und am 19.5. steht das Lou Donaldson Quartet auf der Bühne. Besonders spannend wird es auch in Aschaffenburg, wenn am 23.5. Erik Truffaz im Colos-Saal Station macht. Von all den jungen Musikern, die aktuelle Strömungen wie Drum & Bass oder Hiphop mit in den Kosmos der Improvisation einbeziehen, ist der französische Trompeter der versierteste Experimentator. Wer hören will, wie es weitergeht, ist bei Truffaz richtig.

Wer hätte das gedacht! Noch vor ein paar Jahren klagten Vertreter der Münchner Jazz-Szene bei jeder passenden Gelegenheit, was für ein vernachlässigtes Kulturpflänzchen sie da tagaus tagein pflegten. Überall fehle es, kaum einer schenke ihnen Beachtung und überhaupt, früher, im „Domicile“, sei eh alles besser geworden. Doch der Blick auf die Gegenwart zeigt ein verändertes Bild. Kaum eine andere deutsche Stadt, vielleicht mit Ausnahme von Köln, hat inzwischen eine ähnlich lebendige Musikergemeinschaft, die sich mit Ausnahme einiger schwarzer Schafe und unverbesserlicher Eigenbrötler, langsam als gemeinsame Kraft wahrzunehmen beginnt. Nirgendwo sonst im Bundesgebiet kann man innerhalb weniger Tage derartig viel extravagante Musik auf internationalem Niveau konsumieren wie im Millionendorf an der Isar (wer einmal versucht hat, etwa in Hamburg oder Berlin in ein Jazzkonzert zu gehen, wird ein Lied von der Öde singen können). Das liegt zum einen an engagierten Liebhabern der Improvisation, die von Christoph Höfig im Kulturreferat über idealistische Kneipenwirte wie Thomas Vogler und begeisterte Hotelbesitzerinnen wie Innegrit Volkart bis hin zu beherzten Vertretern der ortsansässigen Presse sich um die einst so darbenden Gewächse bemühen. Es hängt aber auch damit zusammen, dass mancher Pfiffikus in der Chefetage den Promotionwert des Jazz erkannt hat.

Denn wo kann man sich heute noch ordentlich profilieren, wenn nicht in einer Sparte, die lange Zeit als verdrängt galt. So hat München jetzt – hurra! – eine Art Jazzbiennale, ein Gipfeltreffen, das unter der Ägide von Josef Dachsel und Annelie Knoblauch als Millenniumsfeuerwerk gute zwei Wochen lang die Menschen beglückt. „Jazz & More 2000“ ist ein hervorragend besetztes Repräsentationsobjekt auf internationalem Niveau, das mit Schwerpunkt Europa von Michel Portal bis Richard Galliano reichlich kreative Künstler in die einheimischen Spielstätten lockt. Und das Erstaunliche an dieser Veranstaltung ist, dass dafür plötzlich ein Etat beim Freistaat, der Stadt und den Sponsoren zu mobilisieren ist, von dem niemand geglaubt hätte, dass es ihn gibt. Alle finden lobende Worte, der Jazz wird wieder hoffähig, man steckt ihn sich an kulturelle Revers. Gratulation an die Organisatoren! Hoffentlich bleibt das kein Einzelfall. Und hoffentlich sind damit nicht alle Jazz-Gelder für die kommenden Jahrzehnte verpulvert. Denn die Musik lebt von der Kontinuität der Entwicklung, nicht von der Einmaligkeit des Events.

Ralf Dombrowski

Jeden Sonn- und Feiertag gibt es ab 1. Mai Dixie im Biergarten der Lochhammer Einkehr, Beginn ist 12.00 Uhr.

 

 

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