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       CDs  
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        Wenn Popmusiker 
        Jazz machen 
       George 
        Michael, Bryan Adams und Joni Mitchell im Vergleich  
      Wenn Jazzmusiker Pop machen, kann man das Ergebnis meist sofort in 
        der CD-Abteilung schmusig & belanglos abstellen und bei 
        passender Gelegenheit (Candlelight-Dinner? Nicht-Jazz-Fans zu Besuch?) 
        zum Einsatz bringen. Wenn hingegen Popmusiker Jazz machen, dann rate ich 
        immer prophylaktisch vom CD-Kauf ab: Immer noch denke ich mit Grausen 
        an die Big-Band-Versuche eines Robert Palmer oder einer Sinnead O´Connor 
        - beides fragwürdige bis überflüssige Machwerke, deren 
        Misserfolg weniger die Ignoranz eines Pop-Publikums als die schlichte 
        Unfähigkeit ihrer Interpreten zur Ursache hatte. 
       Nun 
        aber sind drei Große in dieser Disziplin angetreten: Ein abgeklärter 
        Bryan Ferry, eine risikofreudige Joni Mitchell und ein George Michael 
        in stimmlicher Höchstform. 
        Um mit Letzterem zu beginnen: Mit der stimmlichen Brillanz hat es sich 
        bei George Michael auch schon. Wie immer weiß der britische Grieche 
        weder, wer er sein will (Freddie Mercury? Michael Jackson? Marylin Monroe?), 
        noch was er singen soll. Hinter dem großtönerischen CD-Titel 
        Songs From The Last Century verbirgt sich bei Michael nämlich 
        nur ein geschmacklich unsicheres Konglomerat aus verstreuten Jazz-Schnulzen 
        und zwei Pop-Songs. Der eine (Miss Sarajevo), damals von Bono 
        und Pavarotti inszeniert, jetzt immer noch nicht besser, der andere (Roxanne) 
        das wohl einzige Highlight der CD: Mit großem Einfühlungsvermögen 
        gelingt ihm ein überraschend frischer Zugang zur doch etwas abgenudelten 
        Sting-Kamelle. Den Rest möchte man fast Schweigen sein lassen. Ob 
        Bing Crosby (Brother, Can You Spare A Dime?) oder Chet Baker 
        (It Could Happen To You), fast überall erweist sich George 
        Michael als seinen Vorgängern unwürdig durch belangloseste Seichtigkeit. 
        Wenn es dann doch mal schneller wird wie in My Baby Just Cares, 
        gibt der Jazz-Debütant nur ungewollte Swing-Parodie zum Besten. 
        Da 
        sitzt Roxy Music-Sänger Bryan Ferry sicherer im Sattel, der bereits 
        1973 auf These Foolish Things mit alten Jazz-Standards geliebäugelt 
        hatte. Neben ganz bekanntem wie As Time Goes By oder Weills 
        September Song sind es vor allem zauberhafte Musical-Songs 
        wie The Way You Look Tonight oder Easy Living, 
        welche die beschwingt-belanglose Atmosphäre von Fred-Astaire-Filmen 
        wiederherstellen; drei Songs wählte Ferry allein vom Leichtigkeitsmeister 
        Cole Porter aus. Die Stücke sind durchgehend stilgerecht (ca. 1937) 
        für eine gediegene Jazzcombo-Salonorchester-Kombination arrangiert 
        und werden durch den Einsatz des seltenen Ondes Martenot (!) mit einer 
        humoristisch-kitschigen Klangfarbe angereichert. Ferry zeigt sich als 
        geschmackvoller Interpret, er hat sein zuweilen etwas nerviges Tremolo 
        gut im Griff, er swingt, er schafft Intimität ohne kitschig zu werden, 
        er wahrt die Distanz des gutangezogenen Entertainers dort, wo es nicht 
        viel zu interpretieren gibt.  
      Und  er lässt die Musiker spielen. Wie in guten alten Big-Band-Zeiten 
        darf die Band in The Way You Look Tonight zunächst mal 
        die Hälfte des Titels jammen, bevor der Sänger auch den Text 
        der Nummer singen darf. Unverständlich bleibt, warum Bryan Ferry 
        in einem Titel (I´m In The Mood For Love) aus dem stimmigen 
        Konzept mit diffusem Ethno-Pop-Klangbrei ausschert  sehen wir es 
        ihm als ein mögliches Zugeständnis an die Plattenfirma nach, 
        die einen Hit (so wie früher, Herr Ferry!) zum Auskoppeln 
        brauchte. 
        Joni 
        Mitchells offene Beziehung zum Jazz war mit Beginn der 80er-Jahre nahezu 
        versiegt, nun überrascht sie mit einem opulent orches-trierten Spätwerk, 
        welches direkte Vergleiche mit anderen späten Orchester-Platten, 
        nämlich denen von Nat King Cole und Billie Holiday herausfordert 
         Joni Mitchell holt aus ihrer gealterten und von jahrelangem Nikotinkonsum 
        nicht eben besser gewordene Stimme noch einmal das physisch Mögliche 
        heraus. Dies ist um so bewundernswerter, als sie mit einem 71-köpfigen 
        Orchesterapparat auskommen muss, der ihre melancholische Songauswahl als 
        klanglich breite und schwere, im Sound jedoch weiche Tongemälde ausführt. 
        Verantwortlich für diese Post-Gil-Evans-Arrangements zeichnet Arrangeur 
        und Komponist Vince Mendoza aus Los Angeles, der Joni Mitchells Faible 
        fürs Großorchestrale und Filmische teilt. Nicht nur musikalisch, 
        auch textlich gibt sich Joni Mitchell hyperromantisch: Ihre Songauswahl 
        besteht ausschließlich aus lust- und schmerzvollen Liebesliedern, 
        die  abgesehen von Stormy Weather  recht unbekannt 
        sind und so distanzlos interpretiert werden können, als wären 
        es die eigenen. Die meisten Arrangements sind Rubato gehalten, selten 
        geht es mal richtig jazzig zu. Doch wenn Joni Mitchell  befeuert 
        von Peter Erskine an den Drums und Herbie Hancock am Piano  mal 
        von ihrer traurigen Ader lassen kann, ist es superb und man ärgert 
        sich, dass die Dame die Achtziger Jahre mit politisch korrektem, musikalisch 
        aber durch-schnittlichem Pop verplempert hat  zwei bis drei Jazz-Alben 
        auf dem Niveau von Mingus (1979) hätten sowohl Pop- als 
        auch Jazzgeschichte bereichert.  
      Ein Herbstalbum im Frühling, Liebeslieder, die das Herz stocken 
        lassen, wenn sich die Textdeutungen von Mitchells brüchiger Stimme 
        mit den unverhohlen sentimentalen Arrangements ins Tragische wenden. Der 
        Refrain des schon in jungen Jahren von ihr verfassten Titelsongs Both 
        Sides Now steht wie ein traurig-schönes Motto am Ende der Platte: 
        Ive looked at life from both sides now/ From win and lose 
        and still somehow/ Its life illusions I recall/ I really dont 
        know life at all. 
      Felix Janosa 
      George Michael, Songs Of The Last Century, Virgin 
        Bryan Ferry, As Time Goes By, Virgin 
        Joni Mitchell, Both Sides Now, Reprise 
      
      
        
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