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Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 5/2000

2000/05

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Story

Seite 8

Orchester meets Jazzband

Big Band „Horns Up“ bei den Krakauer Philharmonikern

22 Allgäuer Musiker und Musikerinnen in Krakau. Polnisch kann keiner, doch wir kriegen unser Bier in einem Kellergewölbe mit angeschlossenem Internetcafé. Kühl und frisch lindert es die Pein der von Flughafenluft getrockneten Kehlen. Wir nächtigen im großzügigen Professoren-Hotel der Jagellonen-Universität am Rande der Krakauer Altstadt

Der Marsch zur ersten gemeinsamen Probe mit den Krakauer Philharmonikern am nächsten Morgen wird zur Tortur für diejenigen, die all die schweren Instrumentenkisten schleppen. Hätten wir den direkten Weg vom Hotel zur Philharmonie gewählt, wäre das einer Erwähnung nicht wert, doch unsere nette Betreuerin wollte uns gleich ein paar Sehenswürdigkeiten zeigen, die „auf dem Weg“ lägen – mancher litt noch Stunden später an primatöser Langarmigkeit.

„‚Horns Up‘ sind offiziell hier bei uns, mit Unterstützung des deutschen Auswärtigen Amtes,“ bemerkt Roland Bader, Dirigent der Krakauer Philharmoniker und rühriger Organisator grenzüberschreitender musikalischer Zusammenarbeit in Europa, am Rande einer unserer drei gemeinsamen Proben. Die kulturpolitische Dimension unseres Projekts ist es, die ihm – neben dem musikalischen Gelingen – am Herzen liegt. Die musikalische Dimension nimmt ab der zweiten Probe allmählich Formen an. Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit liegt auf den „Symphonic Games“ des Freiburger Komponisten Karsten Gorzel. Die Interaktion von Improvisation und disziplinierter Orchesterarbeit macht den Reiz des Werks aus. Die Streicher legen wunderschöne Klangflächen als Spielwiese für Solisten aus der Big Band. Herz und Höhepunkt ist eine relativ lange Unisono-Passage, in deren Verlauf die Energien der beiden Klangkörper in einem dyonisischen Klangrausch verschmelzen.

Erstaunlich war die Anordnung der Programmpunkte. Tatsächlich durften wir als Jazz-Bigband die beiden Konzertabende am Freitag und Samstag (18. und 19.2.00) eröffnen. Wir legten vier Stücke auf, darunter zwei Vocals mit Susanne Bunz. Das Klassikpublikum verwöhnte uns mit lange anhaltendem Applaus.

Anschließend die „Symphonic Games“. Florian Mayers expressionistisches Klanggemälde am Tenorsaxophon über weich geschwungenen symphonischen Streicherebenen im 2. Satz darf man getrost als Höhepunkt dieses Teils des Konzertes betrachten. Von großer Klasse auch der improvisierte polnisch-deutsche Rhythmus-Dialog im 3. Satz.

Nach der Pause präsentierten die Philharmoniker, verstärkt um die Saxophone und die erste Trompete von „Horns Up“, George Gershwins „Rhapsodie in Blue“ und Fragmente aus Dimitri Schostakowitschs „II. Jazz-Suite“. Die fällige Zugabe sah dann noch einmal beide Orchester auf der Bühne. Ein kurzer aber heftiger Mambo aus dem „Konzert für Orchester und Jazzband“ Rolf Liebermanns beschloss den gemeinsamen Auftritt mit Verve. Beide Konzerte waren restlos ausverkauft und wurden vom polnischen Publikum begeistert aufgenommen.

Neben der Arbeit mit den Philharmonikern standen für „Horns Up“ weitere drei Auftritte auf dem Krakauer Terminplan. Am frühen Mittwochabend (16.2.) gastierten wir im prächtigen Saal der Musikakademie und spielten für die Studenten der Bläserklassen. Den Donnerstagabend verbrachten wir im deutschen Konsulat, wo die Angestellten einen Faschingsball gaben, wir die Musik und der Koch zwei Spanferkel. Anschließend an das Samstagskonzert in der Philharmonie jazzten wir noch einen Studentenball, leider ohne Nachspiel. Aber ganz gleich ob Swing, Thad Jones oder Salsa angesagt war: Der Saal tanzte ab!

Die polnischen Orchestermusiker nahmen uns kollegial auf, mit viel Herzlichkeit und ohne Arroganz. Beim Empfang, den sie nach dem ersten Konzert für uns gaben, kam es zu Gesprächen auf deutsch oder englisch.

Vier Tage nach unserer Rückkunft aus Polen, gaben wir am 24. Februar gemeinsam mit den Philharmonikern unter Roland Bader noch einmal das Krakauer Programm im Marktoberdorfer „Modeon“. Auch dieses Konzert war mit über 700 Zuhörern gut besucht, doch fehlten hier – im Gegensatz zu Krakau – die jungen Zuhörer.
Die Band hat ein beeindruckendes Erlebnis gehabt und hofft, die gewonnene musikalische Energie beim im Mai anstehenden deutschen Orchesterwettbewerb in Karlsruhe – „Horns Up“ vertritt dort Bayern in der Kategorie Jazz-Orchester – in ein gutes Ergebnis umsetzen zu können.

Unserer besonderer Dank gilt Tiny Schmauch für die Organisation und künstlerische Leitung des gesamten Projekts und dem Deutschen Musikrat, durch dessen finanzielle Unterstützung die Reise erst ermöglicht wurde.

Harald Böhm

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