Der Hersch-Kosmos

 Schlamperei kann überraschende Folgen haben. Eric McPherson konnte seinen Pass nicht finden. Die amerikanischen Behörden kennen kein Pardon, und so musste er in USA bleiben. Fred Hersch und John Herbert allerdings waren schon auf dem Weg nach Deutschland zu einem der raren Europa-Konzerte in der Münchner Unterfahrt. Ein Ersatz für McPherson musste her, Jeff Ballard hatte Zeit, konnte allerdings erst mit dem Abendflieger aus Paris kommen. Und so hatte das Publikum die seltene Gelegenheit, an einem Abend eigentlich zwei Konzerte zu hören. Denn die erste gute Stunde bestritt Fred Hersch allein am Flügel, erst zur zweiten Hälfte konnte Ballard dann direkt vom Taxi auf die Bühne springen, um vollkommen das Trio zu vervollständigen.

Für die Zuhörer jedenfalls war es ein Fest, denn sie konnten den Hersch-Kosmos in seinen verschiedenen Farbigkeiten erleben. Solistisch spielte er eigene Songs wie „Sarabande“, vor allem aber ein Bouquet seiner Lieblings-Standards von Jobim bis Monk und Jimmy Rowles bis Benny Golson. Er ließ Stücke zerfallen, fing die Einzelteile auf, kombinierte sie neu. Er ließ Rhythmen bröckeln, nur um sie dann in Gegenbewegungen vor allem der linken Hand in sich zu verschränken. Brasilianischer Frohsinn traf auf Monk’schen Intellekt, der unter Herschs Leitung sich von der Schrulligkeit befreite, um eine umfassende, bei aller Kantigkeit fließende Gestaltungskraft zu entwickeln. Es war kein Präludium zum Trio, vielmehr ein in sich abgeschlossener Klangraum, der eigentlich die Grenzen des Jazz in Richtung improvisierende, an keinen Stilen mehr klebende Kammermusik hinter sich ließ.

Das Trio wiederum forderte den Einsteiger Ballard heraus. Denn Hersch präsentiert überwiegend eigenen Kompositionen, mit vielen rhythmischen und motivischen Finessen, die der Schlagzeuger allerdings vom Blatt las, ohne sich die Anstrengung gesteigerter Konzentration anmerken zu lassen. Hersch wiederum genoss es, sich in einen rhythmisch pulsierenden Raum zurücklehnen zu können, den besonders John Herbert mit wuchtigem, perkussiven Ton und zwischen Groove und Freiheit changierendem Beat fundamentierte. Am Ende wurde es ein grandios vielseitiger Abend, auch wenn er eigentlich so nicht geplant war. Ein Dank auch an Eric McPherson!

Ralf Dombrowski

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