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Ausgabe Januar 1999

BÜCHER

Autor:
Joe Viera

Tony Bennett/Will Friedwald: The Good Life, Pocket Books, New York, 312 Seiten

Welcher große amerikanische Sänger bekam 1995 mit 68 Jahren einen Grammy – das Gegenstück zum Oscar der Filmbranche – in der Kategorie "Album of the Year"? Nein, nicht Frank Sinatra – er ist 11 Jahre älter. Es war Tony Bennett, der seiner langen Karriere damit einen neuen Triumph hinzufügte. Seinen ersten Grammy hatte er übrigens 1962 für "I left my heart in San Francisco" erhalten. Jetzt ist seine Autobiographie erschienen, unter Mitarbeit von Will Friedwald, mit dem Titel "The Good Life" (Pocket Books, New York, 312 Seiten). Er erzählt sein Leben so entspannt wie er singt, mit Witz und stolzer Gelassenheit, beides sicherlich das Erbe seiner italienischen Vorfahren. Wer aber glaubt, er habe eine unbeschwerte Jugend verbracht und wisse wenig oder nichts von den negativen Seiten des Lebens, der täuscht sich sehr. Er erlitt als 18jähriger Soldat 1944/45 alle grausamen Härten des 2. Weltkriegs in vorderster Front und gehörte auch zu der Truppeneinheit, die 1945 das KZ Landsberg befreite. Dies hat zu seiner lebenslangen Abscheu vor Gewalt und Krieg geführt. So nahm er auch 1965 am Friedensmarsch Martin Luther Kings nach Selma (Alabama) teil.

Ist Tony Bennett (auch) ein Jazzsänger? Nun, er bezeichnet Jazz als seine Lieblingsmusik, arbeitete viel mit Jazzmusikern zusammen, machte u.a. Aufnahmen mit dem Count Basie Orchester und mit dem Pianisten Bill Evans und nennt Lester Young, Stan Getz, Art Tatum und Charlie Parker als diejenigen, die ihn besonders beeinflußten. Aber wie steht es mit seinem Swinggefühl? Was ist mit der Improvisation? Hier sind ein paar grundsätzliche Überlegungen zum Gesang im Jazz nötig. Sie beginnen mit der Frage, inwieweit sich überhaupt Texte zum Swingen bringen lassen. Das ist gar nicht so einfach, vor allem bei Worten, die mit einem Vokal beginnen. Man höre Musikern, die auch Texte singen, genau zu. Selbst Louis Armstrong swingt weniger, wenn er singt. Etwas anderes ist es beim Scatgesang. Es hat seinen guten Grund, daß die meisten Scatsilben mit b oder d beginnen. Probieren Sie es aus: sprechen Sie gleichmäßig babadibndibndidáb (Betonung auf der letzten Silbe). Das swingt schon fast von selbst. Und die Improvisation beim Textgesang ist, wenn Text und Melodie nicht sehr verändert werden sollen, natürlich auf Details beschränkt: Verzögerung, Vorwegnahme, Dehnung, Kompression, Akzente, Pausen, Änderung der Tonhöhe allenfalls an wenigen Stellen... Billie Holliday beherrschte diese Technik meisterhaft, Frank Sinatra ebenfalls (er betonte mehrmals, daß er sie von ihr gelernt habe), und Tony Bennett verwendet sie ebenfalls sehr gekonnt – kein Wunder, gehörte doch Sinatra zu seinen Vorbildern. Bleibt drittens noch die Frage nach dem jazzmäßigen Klang seiner Stimme. Gegenfrage: wie jazzmäßig war eigentlich die Stimme Ella Fitzgeralds, etwa im Gegensatz zu der Billie Holidays? Das Jazzmäßige ist eben ein Produkt aus verschiedenen Faktoren, deren Gewicht recht unterschiedlich sein kann. So ist es für mich keine Frage, daß Tony Bennett eine ganze Menge von gutem Jazz gesungen hat. Dazu paßt auch seine Bemerkung: "I never sing a song the same way twice."

Übrigens ist er noch auf einem anderen Gebiet künstlerisch tätig – er malt gerne. Seine Biographie enthält einige Abbildungen, die ein bemerkenswertes Talent verraten. Es gibt auch schon ein eigenes Buch mit Photots seiner Bilder unter dem Titel "What my heart has seen" (1996 erschienen).

Bücher und Noten: