Ausgabe Oktober 1998FESTIVALDas Jazz Meeting im Allgäu. Vita eines Jazzfestivals in zwei Teilen. Autoren: |
Teil I:
Gründerzeit Mit der Gründung der Allgäuer Jazz Initiative als Verein 1991 war klar: Eines der Hauptziele ist es, eigene Konzerte zu organisieren, ja wo-möglich ein eigenes Festival zu schaffen. Bald schon gingen die Vereinsaktiven mit dieser Idee schwanger, und siehe da: Noch kein Jahr später war das ,,Kaufbeurer Jazz Meeting" geboren. Ein Wochenende lang (am 11. und 12. Juli 1992) gab es Swing, Rock, Bebop und Funk in Kaufbeuren. Seither haben die Organisa-toren jedes Jahr ein Jazz Meeting veranstaltet und dabei einige Höhen und Tiefen durchschritten sowohl in finanzieller als auch in emotionaler Hinsicht. Unser stilistisches Motto lautet: Allgäu goes Modern Jazz immer frisch und frech, wenns sein muß auch zeitge-nössisch-avantgardistisch. Ausgetretene Pfade wollen wir nicht abschreiten, uns auch nicht dem zweifellos größeren Reservoir von Oldtime-Hörern anbiedern. Die leichtere Muse hat dennoch bei uns ihren Platz etwa in Form von Dance-Parties mit Rhythm & Blues oder Salsa. Wichtiges Anliegen ist zudem, neben auswärtigen Jazzern auch den einheimischen Musikern Auftrittschancen zu verschaffen. Wir luden also nicht nur Allgäuer und oberbayerische Bands, sondern organisierten regelrechte Nachwuchs-Projekte. Einheimische Musikerinnen und Musiker sollten in einem Workshop zusammen mit einem renommierten Jazz-Musiker ein kleines Konzert erarbeiten, das dann beim Meeting auf die Bühne kam ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen. Doch obwohl die Qualitäten in den vergangenen sechs Jahren unterschiedlich waren, hielten wir an diesem Konzept fest. Soweit so gut. Weniger gut war die finanzielle Ausstattung. Ein Großteil des Budgets hing und hängt von Sponsorengeldem ab. Über Eintrittsgelder alleine (und den enormen persönlichen Einsatz etlicher Jazzbegeisterter) war das Meeting nicht zu bezahlen. Die öffentlichen Hände hielten sich zunächst noch zurück, aus der Privatwirtschaft flossen unterschiedlich hohe Beträge. Ähnlich wechselhaft gestaltete sich der Publikumszuspruch. Es gab ein Jahr 1995 da dachten alle, wir hätten den Durchbruch geschafft. Sponsorengelder flossen damals reichlich, mit Dauner & Mariano sowie dem Bundesjugend-Jazzorchester unter Herbolzheimer hatten wir Jazz-Glanzlichter ins Allgäu geholt, die acht Konzerte waren proppenvoll. Der Break-even-point der Akzeptanz ist überwunden, jubelten wir um im folgenden Jahr wieder auf den Boden bitterer Tatsachen zurückgeholt zu werden. Trotz eines Rita Marcotulli Trios, trotz Ack van Rooyen lief es wieder schlechter. Und 1997 dann der völlige Einbruch mit einem finanziellen Desaster. Unglaublich, aber wahr: Nur 60 Menschen wollten wunderschönen Mainstream-Jazz der holländischen Sängerin Masha Bijlsma hören, nur 60 Jazz-Fans kamen zum Gitarren-Superstar Nguyen Le samt Renaud Garcia-Fons am Baß und Percussion-Legende Mino Cinelu. Teil II: Sag niemals nie Das Allgäuer Jazz Meeting 1998 Nie mehr! sagten sich im Aufwallen erster Enttäuschung die Veranstalter der Allgäuer Jazz Initiative, als im vergangenen Jahr ihr Festival vom Publikum weitgehend ignoriert und somit auch ein kräftiges Defizit eingefahren wurde. Doch das Abstinenzversprechen hielt nicht lange vor, schon kurz nach dem Debakel wurde ein Allgäuer Jazz Meeting für 1998 ins Auge gefaßt, zumal die Initiatoren aus berufenem Munde moralische Unterstützung erhielten. Kam doch von Joe Viera ein Brief mit der Aufforderung "Weitermachen!". War in ersten Überlegungen für 98 von drei, vielleicht vier Konzerten die Rede gewesen, kam es letztlich doch ganz anders als zunächst gedacht. Keines der bisherigen Festivals hatte nämlich derart viele Konzerte zu bieten wie das jetzige siebte nämlich 16. Noch nie auch hat ein Jazz Meeting sich über einen ganzen Monat erstreckt, und mit Füssen ist zu den bisherigen Konzertorten Kaufbeuren und Marktoberdorf ein weiterer hinzugekommen. Am 2.10. eröffnen zwei Ex-Allgäuer, Christoph Kögel und Christoph Schlemmer, mit ihrem Trio "Without the Cat" die diesjährige Konzertreihe. Traditionell nicht fehlen darf beim Jazz Meeting die aus Allgäuer Musikern zusammengesetzte Bigband "Horns Up", die diesmal (4.10.) mit Verstärkung durch Wolfgang Lackerschmid Standards zum besten geben wird. Allesamt Allgäuer sind auch die "Kerberbrothers", ein Quintett, welches die derzeit wohl originellste Erscheinung in der Region ist. Wo andere für ihren Ethnojazz bis zu den Randzonen dieser Welt ausschweifen, kombinieren die drei Kerber-Brüder Andreas, Markus und Martin Allgäuer Volksmusik mit Blues und Bop. (11.10.). Beim Allgäuer Jazz Meeting 98 fehlt es auch nicht an bekannten Namen. Ob nun Schlagzeuger Pete York mit seinem Jazz Age Quartett (21.10.), Ha-rald Rüschenbaum mit dem Bayerischen Landesjugend-Jazzorchester (24.10.) oder der Sänger und Gitarrist Peter Fessler (Ex-"Trio Rio"), der souverän zwischen den Polen Pop und Jazz pendelt (17.10.). Unbestrittenes Highlight des diesjährigen Allgäuer Jazz Meetings aber ist der 70. Geburtstags-Tournee-Abstecher von Albert Mangelsdorff nach Kaufbeuren, wo der Posaunist zusammen mit Wolfgang Dauner, Christoph Lauer, Dieter Ilg und Wolfgang Haffner am 20.10. zu hören ist. Bleibt zu hoffen, daß möglichst viele Besucher dem Jubilar und seinem grandiosen Lebenswerk Reverenz erweisen werden. |
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