Ausgabe Oktober 1998FAREWELLQueen of the Washboard Nachruf auf Beryl Bryden Autor:
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![]() Wir "Amateure" haben viel von ihr gelernt, nicht nur, daß die Komponisten der all-time-standards ihren Titeln wunderschöne Einleitungen und Verse vorangesetzt haben oder daß es außer den in unserer Szene gängigen Tonarten "F" und "B" noch ein paar andere gibt... Auch von ihrer Bühnendisziplin konnten wir uns etwas abschauen, da gab es nach Nummer eins kein "Was spielen wir als nächstes?" vor versammeltem Publikum, sondern vor dem Auftritt wurden die Songs minutiös vorbereitet und durchgesprochen zumindest wars so geplant! Da erinnern wir uns an eine nette Episode: Vor unserem ersten gemeinsamen Konzert einer Matinee (vulgo Dixiefrühschoppen) war Beryl zum LiveInterview bei Hans Rulands Jazzwelle seligen Angedenkens eingeladen. Während BB also noch auf Sendung war, versuchten wir inzwischen, das erwartungsfrohe Publikum mit "instrumentals" mehr hinals zu unterhalten. Als die Lady endlich eintraf (es waren noch kleine Hindernisse zu überwinden der Saaldiener hatte inzwischen die Türen abgeschlossen), beorderte sie sofort unseren Pianisten in die Garderobe, zur Besprechung von Titelauswahl und Ablauf ihres Auftriffs (der geneigte Leser merkt schon, von Proben vor einem Konzert war bei unserer Zusammenarbeit mit BB nie die Rede!). Jeden ihrer Songs hatte sie als "Arrangement" in Form von Harmoniesymbolen auf einem Blatt in einer Klarsichthülle, die damals schon durch viele Musikerhände gegangen und daher nicht mehr so unbedingt klarsichtig war. Dazu gab sie in ihrem wunderbaren Oxford-English die entsprechenden Erläuterungen; der Kollege bekundete durch heftiges Kopfnicken Verständnis nur war er dann irgendwie nicht in der Lage, das Besprochene an uns weiterzugeben (er gestand schließlich, der englischen Sprache nicht ausreichend mächtig zu sein ...). Die routinierte Miss Bryden brachte uns dann aber doch machtvoll über die Runden, und auch die Klippen der balladesken Einleitungen von "Dr. Jazz" oder "After youve gone" haben wir damals glücklich umschifft! Wir bestaunten auch, stets genauso wie unser Publikum, den Höhepunkt ihrer Auftritte die "Washboard-Show", und die ging so: Zuerst nestelte Beryl in den Tiefen ihres "wahrhaft imposanten Decolletées" (wie einmal ein Rezensent vermerkte), förderte ein Beutelchen zutage, aus diesem dann wieder eine Anzahl silberner Fingerhüte (während sie den Zuhörern mitteilte, daß die neumodischen Dinger aus Plastik für musikalische Zwecke völlig ungeeignet seien), griff sich das Waschbrett (nach ihrer Erklärung 1947 auf einem Flohmarkt in Soho für "zwei Mark" erstanden), und dann gings im Höllentempo schrubbend und schabend los, wobei sie Breaks mit einem dampflokomotivenartigen "hu-hu" markierte. Da konnte sich der Applaus der Fans schon zu "standing ovations" steigern! Ihren alten Münchner Freund, den un-vergessenen Hermann Kügler, der seinerzeit noch mit uns spielte, forderte sie dann oft zum Duell Waschbrett contra Schlagzeug heraus, wobei dieses meist zu ihren Gunsten endete. Das Schicksal und der frühe Tod dieses einmaligen Kollegen der Münchner Jazzszene (für "Nachgeborene": H.K. war Chef der "Occam Street Footwarmers", einer der ältesten Münchner Formationen) hat sie sehr bewegt. Als sich 1995 Musiker und Fans zu einem Gedenkkonzert zu Ehren des ehemaligen "Trommlerwirts vom Allotria" versammelten, buchte sie einen Flug nach München so um, daß sie zu diesem Anlaß erscheinen konnte. Beryl Bryden pflegte übrigens ein bemerkenswertes Hobby: Sie war Tiefseetaucherin und nützte bis zu ihren letzten Lebensjahren jede Gelegenheit, diese Tätigkeit auszuüben. Vielleicht war es ihre Affinität zum nassen Element, daß sie immer als Pausengetränk Wasser bestellte, reines Leitungswasser (mit dem sie anfangs schon auch ihren Whisky verdünnte), und sie bemerkte immer wieder, daß wir die Qualität unseres bayerischen Wassers gar nicht genug zu schätzen wüßten... Beryl war auch eine begabte Zeichnerin, die viele "Giants of Jazz", allen voran ihre großen Idole Louis Armstrong und Bessie Smith, mit dem Kohlestift verewigte; ihre "birthday calendars" sind ebenso wie ihre zahlreichen Schallplatten begehrte Sammlerstücke geworden. Die letzte "Red Hot Mama" oder "Britains Queen of the Blues", wie sie auf der Insel genannt wurde, begann ihre Laufbahn 1945 mit "George Webbs Dixielanders", damals noch "non-professional". Ihren erlernten Beruf als Sekretärin gab sie auf, als ihre Stimme immer gefragter wurde, und im Lauf der Jahre folgten Auftritte mit allen Größen vor allem des europäischen traditionellen Jazz, wie Chris Barer, Monty Sunshine, Alex Welsh oder Fatty George, um nur einige zu erwähnen. Für uns war es 1995 natürlich eine besondere Ehre, anläßlich ihres fünfzigjährigen Bühnenjubiläums eine Reihe von Konzerten mit Beryl zu veranstalten. Auch für dieses Jahr waren mehrere "events" geplant, doch dazu kam es nicht mehr. Beryl Bryden hat ihre CDs und MCs in den letzten Jahren überwiegend selbst vermarktet. Gelegentlich findet man in guten Fachgeschäften "Two Moods of Beryl Bryden" (Audiophile ACD-113, mit Bud Freeman, Lennie Felix und überwiegend Bessie-Smith-Titeln) und "Beryl Bryden & the Blue Boys" (Lake Records LACDE-71), ebenfalls ein "Tribute to Bessie Smith". |
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