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Ausgabe September 1998

STORY

Mut zur Bigband

Hoffentlich keine Eintagsfliege: "Project No. 1" des Munich Jazz Orchestras

Autor: Reinhard Köchl

Foto: Helge Heinemann

bigband.jpg (16826 Byte)Wer hätte das gedacht: Münchner Jazzmusiker ergreifen selbst die Initiative, um sich ihren ewigen, aber zu beinahe jeder Zeit mit allerlei Ärger und Frust behafteten Traum von einem großorchestralen Klangkörper zu erfüllen. Die besten der Besten unter einem Hut, zwar ohne konkreten Bandleader, dafür jedoch mit einem langfristigen Konzept – in wenigen dürren Worten wäre damit die theoretische Zielsetzung des jüngsten bayerischen Bigband-Sprosses beschrieben. Für die Väter einer solchen Idee, den Trompeter Franz Weyerer und den Schlagzeuger Guido May, mag wohl in der Hauptsache das Fehlen eines festen, programmatisch orientierten Jazzorchesters bei solchen Überlegungen eine Rolle gespielt haben. Denn in München, das seit den fünfziger Jahren über eine der lebendigsten Jazzszenen Europas verfügt und stets jede Menge hochqualifizierter Musiker in seinen Mauern beherbergt, gab es zwar regelmäßig ernsthafte Bestrebungen, das geballte künstlerische Potential der Stadt in solchen Mammut-Formationen zu bündeln. Doch organisatorische, vor allem aber wirtschaftliche Probleme bemaßen deren Lebensdauer mitunter auf einen relativ geringen Zeitraum, in dem die Öffentlichkeit kaum die Chance erhielt, ihre Existenz über die euphorische Startphase hinaus richtig zur Kenntnis zu nehmen. Zwar halten Dusko Gojkovic, Harald Rüschenbaum und Al Porcino nach wie vor das Fähnlein mit unregelmäßigen Auftritten ihrer eigenen Ensembles aufrecht. Doch einem Teil der Musiker reicht das nicht mehr. "Uns ist das Warten zu bunt ge-worden," schreiben Weyerer und May keck im Programmblatt des "Munich Jazz Orchestras". "Das Warten auf Initiativen derer, die sich oft und immer wieder für das Entstehen von Kultur zuständig erklären. Sie haben entweder das Wesen der Jazzmusik nicht erkannt, oder aber sie wollen dieser Musik nicht die Anerkennung zukommen lassen, die sie verdient!" Also verabredeten die mithin profiliertesten Instrumentalisten, zweibis dreimal jährlich zusammenzukommen, sich für diese Zeit einen international renommierten Komponisten oder Solisten einzuladen, dessen Musik einzustudieren und damit auf Tour zu gehen. Was so herrlich ambitioniert und unkompliziert klingt, birgt jedoch in der Realität zwangsläufig wieder altbekannte Konflikte. Auch das "Munic Jazz Orchestra" hatte bei seinen ersten Gehversuchen durch Clubs und Kulturstätten im Sommer dieses Jahres mit keinesfalls unlösbaren, aber doch hin und wieder störenden organisatorischen und zwischenmenschlichen Konflikten zu kämpfen. Fünf schwüle Juniabende hindurch erwies ein zwölfköpfiger Klangkörper in Stegen am Ammersee, in Neuburg (exakt am 40. Geburtstag des "Birdland"Jazzclubs), in der Münchner Unterfahrt und im Nachtcafé sowie in Ebersberg dem Münchner "Urgestein" Joe Haider die Referenz; ein Experiment, das sowohl bei den beteiligten Musikern, wie auch beim Publikum Reaktionen zwischen Begeisterung und Nachdenklichkeit auslöste. Zum einen scheint es trotz der vielen hilfreichen Brückenschläge eines Peter Wels künftig unabdingbar, eine Art Manager zu installieren, der sich um die diesmal so gut wie nicht stattgefundene Öffentlichkeitsarbeit, aber vor allem um die nervenaufreibenden Verhandlungen mit potentiellen Veranstaltern kümmert. Schließlich ist ein vernünftiger Konsens zwischen den durchaus berechtigten Gagenansprüchen der Bandmitglieder und dem chronisch schwind-süchtigen Budget der Jazzclubs vielleicht der eigentliche Schlüssel zur weiteren Existenz des "Munich Jazz Orchestras". Denn nur durch kontinuierliche, langfristige Arbeit auf gleichbleibendem Niveau kann wohl endgültig der gordische Knoten von der Bigband als unverkäuflichem Objekt durchschlagen werden. Einen Versuch wäre es, allen Widrigkeiten zum Trotz, auf jeden Fall wert. Die frische, unkonventionelle, kraftvolle Art, mit der die Bigband um Peter Tuscher, Franz Weyerer, Torsten Benkenstein (alle Trompete), Hermann Breuer, Johannes Herrlich, Adrian Mears (seit diesem Monat in Basel lebender Posaunist, aber weiterhin in der Münchner Szene aktiv), Gerhard Gschlößl (Posaune), Till Martin, Felix Sapotnik, Johannes Enders, Thomas Faist (alle Saxophone), Thomas Stabenow (Baß) sowie Guido May (Drums) fünfmal Haiders brillanten, zeitlosen Kompositionen ein modernes Gesicht verlieh, sollte auf keinen Fall als Eintagsfliege in die Geschichte des Münchner Jazz eingehen. Namen für die nächsten Projekte gibt es bereits: Bert Joris, Don Menza, Bob Brookmeyer oder Maria Schneider. Um dem eigenen Anspruch zu genügen, wollen die Initiatoren des "Munich Jazz Orchestras" sogar noch in diesem Jahr mit "Project No. 2", einer Hommage an den kanadisch/englischen Flügelhorn-Virtuosen Kenny Wheeler, an die Öffentlichkeit gehen. Nehmen wir sie beim Wort und sind gespannt darauf.
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