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Ausgabe September 1998

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Jazz ist Freiheit

Laudatio für Dusko Gojkovic anläßlich der Verleihung des Schwabinger Kunstpreises 1998

Autor: Joe Kienemann

Foto: Anette Elze

dusko.jpg (5579 Byte)"Der hat vergeben das ewig’ Leben, der nicht die Musik liebt und sich beständig übt in diesem Spiel." Solch schicksalsschweren Urteilsspruch aus Johann Valentin Rathgebers einvierteljahrtausendalter Liedersammlung unter der Überschrift "Ohrenvergnügendes und Gemüt-ergötzendes Tafel-Confect" braucht Dusko Gojkovic, unser musicus laudandus, nicht zu fürchten. Denn er liebt dieses himmlische Klang-Gut, seitdem er es empfinden kann, und übt sich beständig darin, seitdem er es versteht – Stunden täglich, sieben Tage die Woche, wie das Jazzprofis so tun.

F ür ein ewiges Leben bestens geeignet sind seine über 100 Kompositionen, sein Wirken auf über 140 Schallplatten und in sicher noch mehr Rundfunkmitschnitten, die auf Band gebannt in Schallarchiven schlummern. Ist er also ein Star? Eigentlich schon.

Aber Dusko Gojkovic, ein Juwel unter den WeltklasseMusikern, kann vom Bekanntheitsgrad oder gar Marktwert der Schlager-Heulbojen und Musikantenstadl-Trompeter-Darsteller nur träumen. Die einschaltquoten-orientierten Gestalter der Fernsehprogramme haben längst den Begriff Qualität durch das Wort Erfolg ersetzt und verheimlichen rentabilitätsprinzipiell so Anspruchsvolles wie Jazz.

Und was im medial eindeutig dominierenden Fernsehen nicht stattfindet, existiert einfach nicht für die Mehrheit der Bevölkerung. Sie assoziiert in den USA, dem Ursprungsland des Jazz, beispielsweise mit Armstrong viel eher Raumfahrt als Louis "Satchmo", oder mit Parker nicht etwa Charlie, "Yardbird" oder Bebop, sondern Kugelschreiber. Welche Mehrheiten hatten denn schon recht in der Menschheitsgeschichte? Waren es nicht oft genug Minderheiten, Einzelkämpfer, Individualisten, die uns letztlich weitergebracht haben, auch wenn man ihnen zunächst nicht recht gab, obwohl sie recht hatten?

Dusko Gojkovic ist so einer, der sein Leben lang gegen den Strom schwamm, weil er wußte, daß das sein Weg sein würde: Er wollte diese unglaubliche Musik spielen, die er in seiner ersten Heimat heimlich zu später Stunde via "Voice of America" auf Kurzwelle zu hö-ren bekam. Jazz hören oder gar spielen war im früheren Tito-Reich streng verboten. Der 16-jährige Dusko wollte es trotzdem. Er konnte sich kein Instrument leisten. Trotzdem kaufte er sich in einem Belgrader Krämerladen ein altes Kornett – mit geliehenem Geld. In der städtischen Musikschule erkannte man schnell sein Trompeter-Talent. Das war ihm nicht genug. Je besser es mit dem Ansatz und der Technik klappte, desto mehr wollte er lernen.

Von 1948–1953 studierte er an der Musikhochschule in Belgrad, wo sich die politische Führung nun glücklicherweise immer mehr westlich orientierte und 1949 sogar die Institutionalisierung einer Bigband am Staatsrundfunk zuließ. Bald war er der neue Trompeten-Lokalmatador – noch Musikstudent, 19 Jahre jung und trotzdem schon Mitglied der Big Band von Radio Belgrad. Die Kunde von dem begnadeten Jugo-Trompeter mit dem samtigen, geschmeidigen und doch so kraftvollen Ton und einer außergewöhnlichen technisch-spielerischen Leichtigkeit drang schnell über die Grenzen, und ab 1956 von Deutschland aus, als einer der Frankfurt All-Stars und dann Mitglied des Kurt Edelhagen-Orchesters, in alle Welt des Jazz – auch ins vermeintlich gelobte Land desselben, wo ihm 1958 die Ehre widerfuhr, in die Newport-Youth Band berufen zu werden.

Er war schon mit Stan Getz, Oscar Pettiford und Percy Heath gemeinsam aufgetreten und hatte von ihnen und vielen anderen Großen des Jazz höchste Anerkennung und Bewunderung erfahren, als er trotzdem sein Spiel weiter verfeinern wollte und von 1961 bis 1963 an der bekannten Berklee School of Music in Boston studierte. Jetzt kamen Angebote von Count Basie, Stan Kenton und anderen Jazz-Idolen. Die Verlockungen waren groß. Trotzdem lehnte der Perfektionist Dusko Gojkovic dankend ab. Er wollte sein Studium nicht abbrechen. Die legendären und glorreichen großorchestralen Klangkörper der Jazzwelt sollten sich noch früh genug mit ihm schmücken: darunter die Bigbands von May-nard Ferguson und Woody Herman, das hochkarätig besetzte Jazz-Orchester von Kenny Clarke und Francy Boland, die George Gruntz Band und Peter Herbolzheimer’s Rhythm Combination & Brass. Nichts kann die harte Schule der Bigband ersetzen, die eine totale Beherrschung des Instruments, sicheres Vom-BlattSpielen voraussetzt und absolute Disziplin fordert. Dusko hat sich ihr hundertfach unterworfen und ist trotzdem dabei immer freier geworden.

"Jazz ist Freiheit" heißt sein Credo und seine Biographie, die im Conbrio-Verlag erschienen ist. Wer ihn kennt, begreift, daß des Jazz-Musikers Freiheit, die er meint, mit der Selbstkontrolle, Präzision und Perfektionierung beginnt. "Und weißt du", hat er mir einmal mit jener entwaffnenden Bestimmtheit des weisen Jazz-Philosophen und dem für ihn so typischen hintergründigen Lächeln verraten, "eigentlich ist es ganz einfach: du mußt immer nur mit den Besten spielen!"

 Da hat er gut reden. Denn außer den Genannten zäh-len Sonny Rollins, Lee Konitz, Dizzy Gillespie, Gerry Mulligan, Johnny Griffin, Philly Joe Jones, Slide Hampton, Phil Woods, Tommy Flanagan, Kenny Barron, Jimmy Heath, Eddie Gomez und unzählige andere Elite-Kollegen zu seinen künstlerischen Weggefährten, von der langjährigen Freundschaft mit Chet Baker ganz zu schweigen. Mit vielen von ihnen hat Dusko Gojkovic in den letzten drei Jahrzehnten hier in dieser Stadt und ganz besonders in diesem Stadtteil, dessen Name seine Ehren-Urkunde heute ziert, Musik gemacht, die höchste Maßstäbe gesetzt hat und setzt. Als er vor 30 Jahren Wahlmünchner wurde, hat sich mit ihm Weltklasse-Jazz in der Isar-Metropole und vor allem nördlich des Siegestores angesiedelt. Die Geschichte des Schwabinger "Domicile" zum Beispiel ist weitgehend eine Geschichte des Dusko Gojkovic. Er stand und steht im Zentrum einer permanenten Aufbauinitiative für die Münchner Jazz-Szene seit den Sechziger Jahren bis zum heutigen Tag; als Solist in zahllosen Formationen, mit eigenem Quartett oder Quintett oder mit seinem großen Orchester, das er 1971 gegründet und nach der Isar-Metropole benannt hat: die "Munich Big Band", die auch in unseren Tagen immer wieder das ansonsten sehr mager gewordene Schwabinger Live-Jazz-Angebot bereichert, wie beispielsweise im Lustspielhaus.

 Das Bewundernswerte an diesem außergewöhnlichen Musiker und Menschen ist sein opferbereiter, ja oft genug selbstloser Idealismus, mit dem er un-ermüdlich jungen begabten Musikern sein Wissen und seine Erfahrung zuteil werden läßt. Der Meistertrompeter Clark Terry, der Duskos Spiel sehr bewunderte, adelte diesen einmal mit der feierlichen Bitte; "Trag’ die Fackel weiter!" Diesem Vermächtnis zeigte er sich auf ganz besonders verdienstvolle Weise würdig, als er das von Richard Wiedamann 1987 initiierte Landes-Jugendjazzorchester Bayern aufbaute, bis 1993 leitete und zum weitaus besten Jugend-Jazz-Klangkörper der Republik machte.

Für Außenstehende unvorstellbar ist der schier er-drückend enge finanzielle Spielraum für solch überaus wichtige Kulturarbeit.

Hochsubventionierte Klassik einerseits oder gut verkäufliche Gebrauchsmusik andererseits wären sonnigere Spielwiesen für ihn gewesen. Trotzdem hat er den steinigen Jazz-Acker bestellt. Möglicherweise hätte ein gut dotierter Lehrstuhl an der Universität ihm, dessen erstes Studium ja der Philosophie galt, das stetige, altersversorgte Leben einer angesehenen akademischen Kapazität beschert. Trotzdem hat er das ruheloseste und entbehrungsreichste Künstlerdasein gewählt: das des Jazzmusikers, der auf den Bühnen der Welt zuhause und nur selten daheim ist; den Beruf, in dem man täglich öffentlich Examen macht, der einen aber so glücklich werden läßt, wie das Nichtmusiker nie verstehen oder gar erfahren werden.

Jazz ist, wenn man’s trotzdem macht! Das weiß keiner besser als er, der Jazzkomponist und Klangarchitekt mit der mazedonischen Folklore in der Seele und dem Modern Jazz-Vokabular auf den eloquenten Lippen, der edelste Bebop-Klassiker der Trompete: Dusko Gojkovic.

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