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Ausgabe September 1998

GLOSSE

Jazz und Doping

Autor: Felix Janosa

 

 

Die Katze ist aus dem Sack: Ermittlungsbeamte und Jazzhistoriker erhärteten vergangene Woche den seit lange gehegten Verdacht: Über 90 prozent aller Jazzplatten, die im Laden stehen, sind unter Einfluß von Doping entstanden.

Daß dieser Skandal erst nach etwa neunzig Jahren Jazzgeschichte publik wurde, ist vor allem dem Schweigen aller Beteiligten zu verdanken: Plattenlabels, Manager und Musiker hielten dicht; niemandem, der an der Ware Jazz verdiente, war an Aufklärung gelegen. Die Reihe der Dopingsünder ist stattlich und liest sich wie ein Who is Who des Jazz: Billie Holiday, Art Tatum, Charlie Parker, Miles Davis, Sonny Rollins, John Coltrane, Chet Baker, Gerry Mulligan, Bill Evans, um nur die wichtigsten zu nennen.

Jahrzehntelang wurden treuherzige Jazzfans um den Genuß von ehrlichem, rauschmittelfreien Musizieren gebracht. Wie nun kann der durch die skandalösen Enthüllungen sensibilisierte Käufer gedopten von ungedoptem Jazz unterscheiden? Plattenhüllen und Fachhändler sind keine Hilfe, das Thema wird vom Handel vertuscht, um die Umsätze nicht zu gefährden. Auch aktuelle Unschuldsbeteuerungen sind wenig glaubhaft, die aufwendig inszenierten Doping-Kontrollen während laufender Aufnahme-Sessions nichts weiter als Beschwichtigungsmanöver der PhonoIndustrie.

Für die bereits überführten historischen Jazzaufnahmen wäre ein den "Explicit Lyrics" in der Popmusik vergleichbarer Aufkleber denkbar: "Der Bundesgesundheitsminister warnt – diese improvisierte Musik afro-amerikanischer Herkunft ist unter ständiger oder zeitweiser Einnahme von Dopingmitteln oder verwandten leistungsfördernden Pharmaka entstanden. Für geistige oder körperliche Schäden nach Konsum dieser Musik kann nicht gehaftet werden!"

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