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Ausgabe Juli/August 1998

BUCH

Hit Men

Autor: Joe Viera

"Hit Men" (Verlag Zweitausendeins/Frankfurt, 531 Seiten) von Frederic Dannen, 1990 erstmals in den USA erschienen, gibt es jetzt endlich auch in einer deutschen Ausgabe. Hier wird überaus gründlich recherchiert die Entwicklung der amerikanischen Popmusik-Indu-

strie seit den 50er Jahren erzählt (der Jazz kommt so gut wie gar nicht vor). Spannend zu lesen wie ein Kriminalroman, der das Buch zum Teil auch ist, denn es geht dem Autor vor allem um die dunklen Seiten des Musikgeschäfts, also etwa um den Einsatz hoher Geldsummen (und gelegentlich auch von Kokain!), um bestimmte Musiktitel in die Playlists der Top-40-Sender zu bringen, die die ihrer Meinung nach populärsten Singles spielen, und die in den USA die meisten Zuhörer haben. Und es geht um Verbindungen zur Mafia.

Im Mittelpunkt steht die Firmengeschichte von CBS-Records, der größten Schallplattenfirma der Welt. Namen wie Walter Yetnikoff, Dick Asher und andere werden uns vertraut, und wir können Erfolge und Mißerfolge, Freundschaften und Intrigen mitverfolgen. Der Autor hat dazu nicht nur zahlreiche Medienberichte aller Art aus-gewertet, sondern auch viele Interviews mit Beteiligten geführt.

Interessant ist, wie im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Rechtsanwälte in die Spitze der großen amerikanischen Plattenkonzerne gelangten — juristische Kenntnisse wurden offenbar wichtiger als musikalische. Über Walter Yetnikoff, immerhin von 1975-90 Chef von CBS-Records, sagte seine ehemalige Sekre-tärin Debra Federoff in einem Interview mit dem Autor: "Er hört überhaupt nichts. Wenn Sie ihm eine neue Aufnahme vorspielten, war das ein Witz. Er kann die Songs gar nicht auseinanderhalten." (S.459). Er selbst gab in einem anderen Interview zu, keine Tonhöhen unterscheiden zu können. (S.33)

Solche Passagen machen den Leser für einen Moment sprachlos. Kann man sich den Chef eines Autokonzerns vorstellen, der keine Ahnung von Autos hat? Aber wenn man dann die Popmusik der letzten Jahrzehnte Revue passieren läßt, dann ist — alles in allem — ein Niedergang unverkennbar. Brauchen wir uns zu wundern?

Jeder, der sich für Musik interessiert, sollte dieses Buch lesen. Bescheid zu wissen rentiert sich immer.

Noch ein Gedanke drängt sich auf. Gibt es all das auch bei uns in Deutschland? Wer schreibt darüber?

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