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Ausgabe Juni 1998

NEUE CD

Matt Wilson:

Going Once, Going Twice

Palmetto PM 2032

Autor: Martin Hufner

Den Titel hat diese Platte vom Sprechen eines Auktionators übernommen. Aber es geht noch etwas. Um den Schlagzeuger Matt Wilson versammeln sich zu den 11 Tracks dieser CD zwei Saxophonisten (Andrew D’Angelo und Joel Frahm), sowie der Bassist Yosuke Inoue. Heraus kam eine vielfach bopgeladene Musik, die meistens souverän kammermusikalisch aufspielt. Das wäre an sich kein Verdienst. Den besonderen Reiz erhascht diese CD durch verschiedene Ausweichungen in musikalische oder soziale Gefilde. Gleich in der ersten Nummer "Searchlight" kann man eine Art neukonstruierten Bolero hören, den Matt Wilson zwar als von Sun Ra inspiriert sieht. Aber nein, es ist eine leicht vorwärts vegetierende Tigermusik, die ab der Mitte zum Sprung ins Freie ansetzt. Wilson setzt das Schlagzeug dabei in seiner ganzen Breite aber durchweg zart-subtil musikalisch ein. In "Going Once, Going Twice" tritt Ned Sublette als Auktionator zum Quartett und das Banjo von Pete McCann. Herausgekommen ist ein durch und durch melodisch hyperaktives Stück. Und natürlich ist es eine Hommage an die Kunst des Versteigerns. "Land of Lincoln" zeigt etwas ganz besonderes an, das die Platte wie ein weiteres Motto durchzieht, schmutzige Intonation, die man in den vielen studiolackierten Aufnahmen selten zu hören bekommt. An sich ist es kein Verdienst, unsauber zu spielen, zumal man weiß, daß die Musiker eigentlich die richtigen Töne richtig treffen könnten, wie es das ganz durchsichtige "The Blossoms" beweist. Doch ist ein Schritt in Richtung kontrollierter Imperfektion auch deshalb gelegentlich nötig, damit einem mal nicht alles aalglatt durch die Ohren rauscht. So wird das melancholische "Turn, Turn, Turn", Coverversion eines Pete-Seeger-Songs, nicht zum versöhnlichen Lebewohl.
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