Aktuelle Ausgabe Jazz in München Jazz in Hamburg Jazz bundesweit
Ausgabe Juni 1998

KURZ ABER WICHTIG

Autoren:
München: Ralf Dombrowski
Hamburg: Dirk Meissner

Afrocuban All Stars
Allotria Jazzband
Apostolidis, Eugen
Bebrout, Harry
Bijlsma, Masha
Blues Brothers Band
Brazil Connection
Cardoso, Paolo
Collins, Bootsy
Cultured Pearls
di Batista, Stefano
Di Meola, Al
Diaz, Enrique
DiBango, Manu
Dinné, Ignaz
Dresdner Kammerchor
Emerald Dancers
Eppinger, Daniel
Evans, Bill
Faist, Thomas
Gil, Gilberto
Glawischnig, Dieter
Gonzi, Mario
Gordy, Roman
Hancock, Herbie
Hayes, Gerry
Heller, Paul
Hierrezuelo, Caridad
Ilg, Dieter
Jazz an der Donau
Jazzicek
Karmasov Brothers
Keita, Salif
Kneeshakers
Lackerschmidt, Wolfgang
Lamb, Howard
Makeba, Miriam
Marsalis, Branford
Martelreiter, Hermann
Maupin, Bennie
Meimer, Charly
Motaung, Audrey
Münchner Philharmoniker
NDR-Bigband
Nieberle, Helmut
Old Merry Tale Jazzband
Olodum
O'Mara, Peter
Palsy-Walsy Jazz Company
Patria, Cuarteto
Perger, Andreas
Pine, Courtney
Rüschenbaum, Harald
Saluzzi, Dino
Santiaguera, Vieja Trova
Schick, Ignaz
Sellenger's Round
Smith, Jocelyn B.
Stockhausen, Markus
Summit Jazz Orchestra
Tollwood-Festival
Underkarl
Waldron, Mal
Wesley, Fred
Wieder, Mani
World Saxophon Quartet
Zadeh, Aziza Mustafa
Zebra

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MÜNCHEN

Der Sommer kommt und die Tourneekaravane macht sich auf die Reise. Allerortens sprießen die Festivals aus dem Boden und versorgen die nach Musik dürstenden Jazzfans mit neuen Angeboten für die Kultursucht. Jazz Ost-West, Jazz'n Art, Moers, JazzBaltica, Jazz an der Donau, Jazz im Schloß Auerbach, Tollwood, Stimmen '98 in Lörrach, Montreux, North Sea, der Münchner Klaviersommer und das JazzClassica Festival in Schloss Elmau sind nur einige der Großveranstaltungen, aus deren Anlaß sich Künstler aus aller Welt auf den großen Bühnen Mitteleuropas versammeln. Die Qual der Wahl und der umsichtige Blick in den Geldbeutel legen daher eine sorgfältige Vorausplanung der Konzertbesuche nahe, zumal die Qualität der Veranstaltungen im harten Wettkampf um die Pubikumsgunst bei gleichzeitiger Stagnation der Sponsorentätigkeit (trotz florierender Unternehmensgewinne?!) eher zu- als abnimmt.

Beispiel Jazz an der Donau. Vom 26.6.-28.6.98 versammeln sich im Festzelt an der Rennbahn in Vilshofen eine bunte Mischung von Anspruch und Sicherheit. Der Kontrabassist Dieter Ilg eröffnet am Freitag Abend (26.6.) um 19 Uhr mit seiner hochgelobten Neubearbeitung deutscher Volkslieder die Veranstaltung. Mit Al Di Meolas World Sinfonia kommen im Anschluß daran alle Fans hurtiger Gitarrenläufe auf ihre Kosten und können schließlich mit dunklen Sonnenbrillen auf den Nasen und der Original Blues Brothers Band ordentlich abfeiern. Jazziger geht es am folgenden Samstag (27.6.) zu Sache, wenn bereits um 15 Uhr Paul Heller der zweiten großen Konzertblock einleitet, hart gefolgt von Michel Petruccianis Lieblingssaxophonisten Stefano di Batista. Im Anschluß daran dürfen die Altavantgardisten des World Saxophon Quartets ein wenig dem großen Miles gedenken, um als Finale von der amerikanischen Jazzjungprominenz in Gestalt des Branford Marsalis Quartets ausgeleitet zu werden. Wen es mehr auf die Tanzfläche zieht, der hat außerdem die Möglichkeit bei angejazztem Soulfunk der Cultured Pearls den Samstagabend ab 22 Uhr ausklingen zu lassen. Zum bunten Frühschoppen schließlich laden am Sonntag ab 10:30 Uhr die tschechische Combo Jazzicek und die Hobbyformation der Blechblassektion der Münchner Philhamoniker mit Namen Blechschaden und einem pfiffigen Crossover-Programm.

Fest zur Sommerunterhaltung gehört inzwischen auch das Münchner Tollwood-Festival. Vom alternativen Kunsthandwerkertreff mit Musikbegleitung zu einem der größten Kulturereignisse des Landeshauptstadt herangereift, stehen neben internationalen Imbissbuden und Schaustellern aller Art auch zahlreiche Künstler Schlange, um in den verschiedenen Zelten im Olympiagelände ihr Können zu präsentieren. Die südafrikanische Sängerin Miriam Makeba etwa macht am 20.6. im Musikzelt Station, gemeinsam mit dem Quartett des Bassisten Enrique Diaz, der seinen Weltmusikcocktail unter anderem mit Markus Stockhausen an der Trompete garniert. Ein besonders tanzbares Doppelpack haben die Veranstalter für den 23.6. zusammengestellt. Denn an diesem Abend trifft der derzeit prominenteste Exponent der Londoner Dance-Jazz und Rare Groove-Szene Courtney Pine auf den alten Meister der afrikanischen Crossover-Gemeinde Manu DiBango. Der eine bringt reichlich geshuffelte Rhythmen mit weitschweifenden Beboplinien am Saxophon, der andere eine neue Kombination von afro-kubanischem Musikkulturenmix gemeinsam mit dem Cuarteto Patria auf die Bühne des Musikzeltes. Party, ohne Zweifel!

Wer sich nicht die Mühe machen will, zu Branford Marsalis nach Vilshofen zu fahren, kann ihn bereits am 24.6. auf dem Tollwood-Gelände bewundern. Gerahmt wird er von dem deutschen Quintet Underkarl, das wohlwollende Kritiker im heimischen Norden bereits reichlich mit Lob beehrt haben. Und noch eine Doppelung gibt es mit Jazz an der Donau. Denn am 28.6. ist Al Di Meola mit seiner World Sinfonia im Olympiapark zu Gast. Damit sich das Programm dann doch noch ein wenig vom Vorabend in Niederbayern unterscheidet, hat er dazu die inzwischen beinahe inflationär präsente, aserbeidschanische Klavier-Prinzessin Aziza Mustafa Zadeh und den wunderbaren Bandoneon-Spieler Dino Saluzzi eingeladen, seine Show ein wenig zu würzen. Als Ausblick auf den Juli sei noch eben Herbie Hancock erwähnt, der am 1.7. mit seinem neuen, alten Jazz-Funk Quintett Headhunters den lausigen Konzert-Eindruck des Münchner Duo-Auftritts mit Wayne Shorter im vergangenen Jahr wieder ausgleichen könnte. Die Konzerte beginnen jeweils um 19:30 Uhr.

Die Großereigneisse verdecken ein wenig, daß sich auch der Rest der Club-Welt im Juni um die geneigten Hörer bemüht. Nachdem die Frühjahrsreihe "New York im Bayerischen Hof" im Mai mit dem brasilianischen Gitarristen und Sänger Joao Bosco zu Ende ging, sind die Aktivitäten am Promenadeplatz bis zum Kraftakt des Klaviersommers zunächst ein wenig zurückgenommen. Dennoch bietet auch der Juni neben dem regulären Night-Club-Programm ein paar reizvolle Sonderkonzerte. Der Pianist Mal Waldron etwa, derzeit mit neuer CD wieder gut im Geschäft (siehe JZ 5/98), macht am 16.6. um 21 Uhr für ein Gastspiel gemeinsam mit Paolo Cardoso am Kontrabass und Mario Gonzi am Schlagzeug im Bayerischen Hof Station. Tags darauf kann man am 17.6. auf der gleichen Bühne mit Jocelyn B.Smith eine ebenso beeindruckende, wie bislang unterschätzte Jazz-, Blues- und Gospel-Sängerin bewundern, die mit ihrem Quartett Songs von Kurt Weill und Gershwin präsentiert. Schließlich hat auch Gerry Hayes wieder einmal die Gelegenheit, an zwei Abenden (21./23.6.) in die Swing-, Bebop- und Modern-Mainstream-Kiste zu greifen. Er tritt jeweils um 22 Uhr mit seinem aktuellen Septett und u.a. Hermann Martelreiter an den Saxophonen und Daniel Eppinger am Klavier an.

Fritz Stewens hat sich dafür entschieden, zwei Wochentage seines Clubs in den frühen Sommermonaten an feste Bands zu vergeben. So kommts, daß inzwischen an jedem Dienstag Harald Rüschenbaum mit seiner Big Band und an jedem Donnerstag die Latin-Show der Brazil Connection in den Clubräumen unter dem Hofbräukeller gastieren. Für andere Termine wie die Allotria Jazzband (5.6.) und das Trio des jungen schwedischen Pianisten Jan Lundgren (12./13.6.) bleiben da bei Jazz bei Fritz nicht mehr viele Tage übrig, zumal bis nach der Sommerpause mittwochs die Pforten des Clubs verschlossen sind.

Die Feierwerker ziehen aus dem drohenden schönen Wetter mit folgendem leeren Club die Konsequenz, ihre Konzerte teilweise nach draußen zu verlegen. An zwei Wochenenden können auf diese Weise auch gestreßte Väter und entnervte Mütter ein wenig Stadtkultur mitnehmen, wenn im Theatron im Westpark jeweils ab 15 Uhr Bands zur freien Unterhaltung antreten. Der 13.6. führt mit den Kneeshakers und den Karmasov Brothers country-folkige Klänge, der 14.6. mit Roman Gordy & His Bluesmobile und der Mani Wieder Band krachig erdige Töne in die Konzert-Rotunde. Irish-english Sound gibt es mit The Emerald Dancers und Sellenger's Round am 20.6. und jazzige Einflüsse am 21.6. mit Zebra und The Palsy-Walsy Jazz Company zu hören. Die Kinder kann man zwar nicht an der Garderobe abgeben. Sie werden aber mit Musik und Beiprogramm hinreichend beschäftigt sein. Schön und praktisch, sowas!

Auch in der Muffathalle tut sich einiges. Bootsy Collins, der wüste Bassist aus frühen James-Brown-Tagen kommt am 9.6. gemeinsam mit so illustren Gästen wie dem Posaunisten Fred Wesley auf die Bühne der Zellstraße 4. Bereits am folgenden Tag ist ebendort eine ungewöhnliche Kulturmischung zu bewundern. Denn zusammen mit dem musikalischen Wanderprediger Salif Keita aus Mali treten am 10.6. die Afro Cuban All Stars an, um vom Boom des neuen Son- und Salsa-Fiebers verdientermaßen auch noch ein wenig abzubekommen. Mit den brasilianischen Trommelkünsten von Olodum am 11.6. endet dort vorerst der Block der jazzig relevanten Pflichttermine bis zum Klaviersommer im Juli. Nachtrag: Rumba statt Rente – nach diesem Motto musizieren Vieja Trova Santiaguera & Caridad Hierrezuelo y su Quarteto. Die Gruppe, die es zusammen auf 400 Lebensjahre bringt, spielt am 1.7. in der Muffathalle.

Bleibt noch die Unterfahrt, die sich nach mehreren Jubiläumsmonaten wieder eine Phase der Szene-Pflege gönnt. Vom Quintett des Saxophonisten Thomas Faist (5./6.6.98) über das Peter O'Mara Quintet (10.6.) bis hin zu Ignaz Schicks Decollage (17.6.), Andreas Perger (25.6.) und Eugen Apostolidis (27.6.) finden sich zahlreiche wichtige Vertreter der ortsansässigen Musik in der Kirchenstraße ein, um unverdrossen gegen die schattigen Kastanien der Biergärten anzuspielen. Noch ein Special Tip aus Münchens knuffigster Jazzbar. Im Mr. B's geben sich am 19.6. um 21 Uhr der Sänger Charlie Meimer und der Gitarrist Helmut Nieberle die Ehre. Ein Grund mehr, sich auch mal wieder in der Herzog-Heinrich-Straße 38 blicken zu lassen.

Im Augsburger Traumraum (Hunoldsberg 5-6) versammeln sich im Juni vor allem an drei Abenden Jazz-Künstler. Am 13.6. ist die holländische Sängerin Masha Bijlsma mit ihrem Quartett zu Gast. Wolfgang Lackerschmidt, der die besondere Ehre hatte, Attila Zoller bei seinem letzten München-Konzert zu begleiten, hat sich für den 20.6. vorgenommen, dem großen Gitarristen mit vielen Freunden ein Tribute zu gestalten. Und am 26.6. ist im Traumraum der karibische Pianist Harry Bebrout in Trio zu hören. Die Konzerte beginnen jeweils um 20:30 Uhr.

Schließlich noch zwei Tips aus der Region. Im Ingolstädter Bürgertreff (Kreuzstraße 12) haben hartgesottene Jazz-Funk-Fans am 28.6. um 21 Uhr die Gelegenheit, den Saxophonisten und Miles-Davis-Veteran Bill Evans mit seiner Formation Push zu hören. Und im Regensburger Leeren Beutel trifft das Summit Jazz Orchestra von Christian Sommerer am 17.6. um 20:30 Uhr auf den Posaunisten Howard Lamb. Der Heiße Sommer hat begonnen.

HAMBURG

Ignaz Dinné ist gerade mal 26 und hat in seinem Leben noch nicht viel mehr gemacht als Jazz zu studieren. Das aber hat er auf allerhöchster Ebene. Weil er mit den Zuständigen an deutschen Hochschulen nicht ganz einverstanden war, ging er gleich ans Berklee College of Music und studierte bei Billy Pierce, danach gleich an das Thelonius Monk Institut of Jazz Performance und zwischendurch war er noch Mitglied im Bundesjazzorchester von Peter Herbolzheimer. Durch diese Institutionen konnte er auch Auslandserfahrungen sammeln, etwa in Rußland, Thailand oder Indien und hatte die Gelegenheit mit Topmusikern wie Joe Zawinul, Wynton Marsalis oder Wayne Shorter zu spielen. Wer wissen will, ob sich diese Fülle an Ausbildung in einen erlebnisreichen Jazzabend mit erfrischenden Esprit niederschlägt oder in der Wiederholung von längst Bekanntem und Auswediggelerntem, der muß schon selber ins Birdland kommen. Am 6.6.1998.

"Musik war ursprünglich eine Aufführungskunst, und das ist genau das, was ich tue" sagt Gilberto Gil und eröffnet damit den 3. Brasilianischen Sommer in der Fabrik. Eigentlich ist er einer der führenden Vertreter der "Musica Popular Brasileira" und nicht wirklich ein Jazzmusiker, obwohl er ja schon mit Stevie Wonder aufgetreten ist. Gil steht für eine Verschmelzung von traditionellen brasilianischen Stilmitteln mit allem was es sonst noch so gibt, von afrikanischen und kubanischen Einflüssen über Jazz und Reggae bis zu modernen Dancefloor-Beats. Der Brasilianische Sommer geht bis in den Juli und bringt noch einige weitere Bands sowie eine Capoeira-Nacht. Wer glaubt, in Brasilien wachsen nur gute Fußballspieler, der sollte also unbedingt am 19.5. in die Fabrik kommen.

In der "Jumbo – Halle der Lufthansa Technik" kann natürlich kein Duo spielen, sondern es muß gleich eine ganze Big Band sein. Deswegen schickt der NDR am 20.6. um 18.00 Uhr seine Big Band in den Hangar, um unter dem Motto "The Thing called Jazz" einen Streifzug durch die Geschichte des Jazz von Armstrong bis Miles Davis zu liefern. Verstärkt wird die Band vom Dresdner Kammerchor, von der Old Merry Tale Jazzband und Audrey Motaung. Das Ganze ist eine Benefizkonzert und soll dem Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche dienen. Vermutlich wurde der Veranstaltungsort gewählt, damit die Lufthansa gleich nach dem Konzert die Einnahmen nach Dresden fliegen kann. Die Leitung der Band hat Dieter Glawischnig.

"Headhunters" hieß eine der erfolgreichsten Platten von Herbie Hancock und genauso nennt er jetzt seine aktuelle Band, mit der er am 30.6. in die Fabrik kommt. Gerade haben sie ein neues Album bei Verve herausgebracht und sind nun eifrig auf Promotionstour. Mit auf der Bühne steht sein langjähriger Weggefährte Bennie Maupin. Der Saxophonist und Flötist gehört wohl mit zu den eher unterschätzten Musikern. Obwohl er jahrelang an der Seite von Giganten wie Miles Davis, Fereddie Hubbard oder McCoy Tyner mit "viel Feuer und gut konstruierten Solis" (Down Beat) gespielt hat. Als Bandleader ist er kaum in Erscheinung getreten. Auch eher unbekannt sind die anderen Musiker von Hancock, aber eigentlich reicht es ja, wenn Herbie Hancock mit einem Lächeln über mindestens 2 Oktaven auf die Bühne kommt und ganz locker vom Watermelon Man oder von der Cantaloup Island erzählt.

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