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Ausgabe Juni 1998

STORY

Allgäuer Jazz Initiative

Horns up!

Autor: Klaus-Peter-Mayr

Als sich Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre Jazzbegeisterte in der Allgäuer Jazz Initiative (kurz AJI) zusammentaten, um "ihrer Musik" so richtig das Laufen zu lernen, gab es bereits zahlreiche Leute, die Jazz machten und die Jazz hörten. Und es gab Clubs, wo Jazz-Bands auftreten konnten. Wieso dann eine Initiative? Warum ein Verein (samt der unvermeidlichen Meierei)? Ganz einfach: Man wollte mehr. Wenn sich Musiker, Fans und Veranstalter zusammentun, dann – so dachten viele – würde am Ende für jeden mehr raus- und rüberkommen. Ein Verein sollte alle an der Jazz-Kommunikation Beteiligten einschließen. Die Wege zwischen jenen, die Jazz machten, ihm ein Forum boten und ihn hörten, sollten kürzer werden. Fazit: Jazz ist gefragt im Allgäu, sehr gefragt. Anders ist es kaum zu erklären, daß die AJI auch heute noch einen stetigen jährlichen Mitgliederzuwachs verzeichnen kann. Sie organisiert drei regelmäßige Sessions. Und sie stellt ein eigenes Jazz Festival auf die Beine.

Für die Initialzündung zeichnete ein Musiker besonders verantwortlich: Martin Schmauch aus Kaufbeuren. Der 37jährige Bassist und Posaunist ließ die ersten Funken sprühen und sorgt bis heute als umtriebiger Motor dafür, daß das Allgäuer Jazz-Fahrzeug propper läuft. Schon während der Zeit im Gymnasium machte Schmauch Jazz. 1987 rief er die Big Band "Horns Up" ins Leben, eine Formation, die weitgehend aus Allgäuer Amateur-Musikern bestand. In ihrem Dunstkreis und mit Hilfe einiger fortgeschrittener Musiker, entstand eine kreative Szene mit Auftritten, Workshops und Sessions. Mit als Geburtshelfer fungierte übrigens auch einer, den man sonst als "Münchner" kennt: Harald Rüschenbaum, der private Beziehungen nach Marktoberdorf unterhielt, schob kräftig mit an und erhielt als Dank schon 1993 die erste und bisher einzige Ehrenmitgliedschaft angetragen.

Die Kleinstädte Kaufbeuren und Marktoberdorf waren zunächst die Zentren der Szene. Bald kam das oberbayerische Landsberg hinzu, das jazzmäßig quasi ins Allgäu eingemeindet wurde. Am 22. Juli 1991 war es soweit: Martin Schmauch lud zur Versammlung ins "Casablanca" in Kaufbeuren, um aus der (losen) Initiative einen (eingetragenen) Verein zu schaffen. 14 Mitglieder gründeten die AJI. Die Idee war so gut, daß immer mehr Jazzbegeisterte ihr beitraten. Heute zahlen über 160 Mitglieder ihre Beiträge in die Kasse des Vereins.

Was haben sie davon? Vor allem ein gut funktionierendes Informations-Netzwerk. Wobei es verschiedene Unternetze gibt. Die Mitgliederzeitschrift, die alle zwei Monate erstellt wird, informiert über alle Jazz-Veranstaltungen, die im Allgäu und darüber hinaus stattfinden. Zugleich ist das Blättchen ein Markt für Musiker, Instrumente, Noten und Unterricht. Mitunter gibt es auch Konzertbesprechungen sowie Rück- und Ausblicke der unterschiedlichsten Art. Und auch Leserbriefe sind schon erschienen, so daß man bei wohlwollender Beurteilung von einem Diskussionsforum sprechen kann.

Ein weiteres Info-Netzwerk ist eines der informellen Art. Mitglieder der Allgäuer Jazz Initiative stehen für alle möglichen Auskünfte von allen möglichen Anfragern zur Verfügung. Besonders Martin Schmauch mit seinen vielen Beziehungen, Kontakten und Connections hat immer Antworten parat für Fragen aller Art. Oft drehen sie sich um Gigs. Irgendein Veranstalter sucht eine Band für irgendeinen Gig. Die AJI kann in der Regel eine vermitteln. Von einer kleinen Formation bis zur Big Band. Von einer preiswerten Variante bis hin zu einer exclusiven. Ein weiteres Kernstück der Vereinsaktivitäten sind die Sessions. Zuerst gab es einen regelmäßigen Musikertreff in Kaufbeuren. Mittlerweile organisiert die AJI drei Sessions: Es kamen die Städte Kempten und Landsberg hinzu. Auch in Memmingen gab es in jüngster Zeit Versuche, eine Session zu installieren. Sie scheiterte vorläufig an einem geeigneten Lokal.

Schon bald nach der Gründung im Jahre 1991 konnte die AJI ein eigenes Jazz-Festival auf die Beine stellen. Anfangs hieß es "Kaufbeurer Jazz Meeting". Mittlerweile ist ein "Allgäuer Jazz Meeting" daraus geworden. Das Festival, das bisher im Sommer stattfand, brachte wechselnden Erfolg. Im einen Jahr ging es aufwärts, im anderen abwärts. Ein ganz besonderes Anliegen ist der Allgäuer Jazz Initiative die Förderung des Nachwuchses. Wobei Nachwuchs nicht gleichzusetzen ist mit Jugend. Denn zum Jazz kann man – wem müssen wir das sagen? – auch als Spätberufener bekehrt werden. Die AJI hat seit ihrer Gründung immer wieder Workshops durchgeführt. Für Einsteiger und Fortgeschrittene. Mit namhaften Dozenten wie Wolfgang Schmid oder weniger bekannten, aber trotzdem hervorragenden Lehrern. Das Alter der Teilnehmer bewegte sich zwischen zehn und schätzungsweise 60 Jahren. Das allein zeigt schon, was die AJI unter "Nachwuchs" versteht. In stilistischer Hinsicht hat die Jazz Initiative keine Scheuklappen. Funk-Jazz und Jazz-Rock – um nur zwei Beispiele zu nennen – gehören genauso dazu wie Bop, Latin oder der gute alte Swing. Allerdings wird – stillschweigend – eine Grenze zum Oldtime-Jazz gezogen. Die AJI fördert und vermittelt weitgehend modernen Jazz – in all seinen Spielarten wohlgemerkt. Die Allgäuer Jazz Initiative hat für die regionale Szene im Allgäu enorm viel bewirkt. Die Zahl jener, die Jazz machen und ihn hören, ist ständig gestiegen. Jazz ist in dieser Zeit tiefer ins Bewußtsein der Bevölkerung gedrungen. Er hat auch Musiker beseelt, die lange Zeit nichts mit diesem Musikstil und seinem Lebensgefühl zu tun hatten. Der Verein will dabei weiterhin aktiv sein. Der Vereinsname "Jazz Initiative" ist Programm. Er zeigt an, daß nichts erstarren, sondern alles in Bewegung bleiben soll.

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