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Ausgabe Mai 1998

HOMMAGE

Charlie Parkers Lieblingspianist

Eine Hommage an Walter Bishop

Autor: Marcus A. Woelfle

 

Drei Jahre an der Seite Charlie Parkers, noch dazu als dessen Lieblingspianist – welche idealere Startbedingung für eine Karriere im modernen Jazz könnte man sich eigentlich wünschen? Und doch: Walter Bishop blieb ähnlich wie Dodo Marmarosa, Sadik Hakim und unzählige andere Pianisten der Bebop-Ära eine nur Insidern bekannte Größe. Von den Medien nahezu unbemerkt ist Walter Bishop Junior am 24. Januar 1998 in seiner Geburtsstadt New York an einem Herzinfarkt gestorben. Kein Kandidat für Nachrufe?

"All God’s Children Got Rhythm" – das demonstrierte Bishop auf seiner 1978er-Muse-Scheibe "Hot House". Doch Walter Bishop Junior wurde wohl am 4. Oktober 1927 ein bißchen mehr Rhythmus als anderen mit in die Wiege gelegt. Der Apfel fiel nicht weit vom Stamme: Sein Vater, der Songkomponist Walter Bishop Senior, stammte aus Jamaika und war mit dem Pianowunder Art Tatum befreundet. Art Tatum und Nat King Cole hat Bishop später auch als Einflüsse genannt, doch als Vorbild wirklich auffällig ist nur Bud Powell. Seit Bishop ihn um 1943 erstmals spielen hörte stand für ihn fest, daß auch er so spielen wolle. Bud Powell hat ihm diese musikalische Gefolgschaft damit gedankt, daß er ihn später auch offiziell zu seinem musikalischem Erben erklärt hat. Als Bishop in den 70ern auch noch Schauspieler wurde, spielte er sogar in einem Theaterstück eine an Bud Powell angelehnte Figur.

Schon als Jüngling besuchte Walter Bishop Junior die legendären Sessions im Minton’s, der Geburtsstätte des Bebop und schon mit 20 wurde er Mitglied der Big Band des unvergessenen Meisterdrummers Art Blakey, der ihn übrigens auch zum Islam bekehrte. 1949 konnte er mit 22 schon auf Aufnahmen mit Art Blakey, Milt Jackson und Stan Getz verweisen. Bekannt wurde Walter Bishop aber erst ab 1951 bei Charlie "Bird" Parker, als dessen bevorzugter Pianist der letzten Lebensjahre. Zunächst begleitete Bishop den einflußreichsten Altisten der Jazzgeschichte bei so legendären Einspielungen wie "Au privave" und "Star Eyes". Wie war Charlie Parker auf Walter Bishop gekommen? Die beiden spielten erstmals 1944 bei einer Jam Session zusammen. Wie Bishop einmal bescheiden berichtete, ist es einem Versehen zu verdanken, daß Bird auf ihn aufmerksam wurde: "Es war eine All-Star-Nacht und Musiker wie Ben Webster, Oscar Pettiford, Erroll Garner und Buck Clayton waren anwesend. Während wir Savoy spielten glitt meine Hand aus und schlug einen falschen Akkord an. Bird drehte sich um und sagte: ‚Was war das?‘. Er sagte es mit Bewunderung, denn mit seinem tiefen musikalischem Gefühl konnte er in falsch Klingendem für sich etwas Seltsames, Aufregendes und Schönes ausmachen. Er fragte mich nach dem Namen des Akkordes, den ich gespielt hatte. Ich habe mich niemals daran erinnern können, was für falsche Töne ich da angeschlagen hatte."

1951 und 1952 nahm Bishop überwiegend an Parkers Aufnahmen lateinamerikanischer Evergreens ("Mama Inez", "La Cucaracha") teil, übrigens mit gemischten Gefühlen: "Ich habe nicht den Eindruck, daß Bird scharf darauf war. Ich war nicht scharf darauf. Ich wußte nicht, was zum Teufel ich da spielen sollte, Latin, Bebop oder was?" Sieht man von Birds Schwanengesang, das Cole-Porter-Album des Jahres 1954 ab, geben nur wenige der Studio-Aufnahmen das wieder, was Bishop bei Parker zu leisten vermochte. Da greife man besser zu Live-Aufnahmen, wenn sie auch noch so miserabel aufgenommen worden sind wie etwa das 1952er Rockland-Palace-Konzert, bei dem Bishop trotz verstimmten Klaviers Stimmung erzeugt.

In den Jahren seiner Zusammenarbeit mit Charlie Parker standen Bishop offensichtlich viele Bebop-Türen offen: So hat die "außerordentlich begabte Persönlichkeit" (Max Roach) in den frühen 50er Jahren als umsichtiger Begleiter unter anderem an Platten von Miles Davis, Kenny Dorham, Phil Urso und Oscar Pettiford mitgewirkt. Mit dem Tod Parkers verschwand Bishop aber merkwürdig von der Bildfläche und den Plattenoberflächen. Was war passiert? Wie so viele Musiker in der Umgebung Charlie Parkers war leider auch Walter Bishop drogenabhängig geworden. Entziehungsversuche und Gefängnis machten die späten 50er Jahre, die ja für so viele Bopper glücklich verliefen, zu einer schweren Zeit. Seit jener Zeit arbeitete Bishop auch immer wieder in bürgerlichen Berufen, zum Beispiel als Postangestellter. "Ich fand immer, daß ich lieber etwas Außermusikalisches tun sollte, als meine Talente zu prostituieren, um mit Musik Geld zu machen." Erst 1959 meldete sich Bishop mit einem Konzert im Birdland zurück. In den Jahren 1960/61 sprang Walter Bishop manchmal für Horace Silver in dessen Band ein. Wenn man will, kann man vielleicht auch in Bishops Aufnahmen dieser Zeit einen gewissen Silver-Einfluß wahrnehmen, jedenfalls entstanden an der Seite von Größen wie Jackie McLean oder Kenny Dorham Aufnahmen, bei denen Bishop recht funky spielte. Dennoch galt Bishop inzwischen wohl als etwas veraltet, jedenfalls als Musiker einer früheren Ära. Man kann es zum Beispiel aus den lobenden Worten des gerade zwei Jahre jüngeren, aber doch eine neue Generation prägenden Pianisten Bill Evans entnehmen: "Ich mag ihn als Vertreter des besten Feeling, das die Bop-Ära hervorgebracht hat." Daß Bishop aber auch mit den fortschrittlichsten Parker-Erben erfolgreich zusammenarbeiten konnte, zeigt das Prestige-Album "Looking Ahead", das 1960 die Altisten Ken McIntyre und Eric Dolphy im Tandem vorführte. Bishop bildete hier mit dem Bassisten Sam Jones und dem Drummer Art Taylor eine knackige Rhythmusgruppe traditionell boppigen Zuschnitts. Man könnte annehmen, so eine Begleitungsmannschaft sei eigentlich zu traditionell für einen Avantgardisten wie Dolphy. In Wirklichkeit kam er besonders reizvoll zur Geltung kommt, wenn er als Kontrastfolie so eine straight ahead boppenden Rhythmusgruppe wie diese hatte. Ab 1961 spielte Walter Bishop Jr. auch Platten unter eigenem Namen ein, wenn auch sehr selten. Ebenso so rar sind sie heute im Handel. Eine der wenigen Ausnahmen bildet "Milestones" (Black Lion), sein allererstes Leader-Album. Auf diesem Album begleiteten ihn der Drummer G.T.Hogan und der Bassist Jimmy Garrison, der ja bald John Coltranes fester Bassist werden sollte. Soulig swingte Bishop hier mit einem wuchtigerem Beat und etwas ökonomischer als in seinen Bebop-Jahren.

Musikalische Weggefährten, bei denen Bishop in den 60er Jahren wirkte waren unter anderem Kenny Dorham, Ernie Wilkins, Curtis Fuller, Terry Gibbs, Cannonball Adderley und Sonny Stitt. In den 60er Jahren studierte er in Julliard bei Hal Overton und bei Lyle "Spud" Murphy, nachdem er 1969 nach Los Angeles gezogen war. Dort wirkte er dann als Lehrer und Komponist und verfaßte das Lehrwerk "A Study in fourths". Was hat es damit auf sich? Bishop beschrieb sein System 1974 im Down Beat als von ihm gelehrte "Methode, bei der ich Quarten ebenso fließend verwenden kann wie Terzen oder diatonische Läufe." In den 70ern musizierte Bishop unter anderem mit Supersax, Blue Mitchell und Clark Terry. Um wieder häufiger aufzutreten zog er 1975 nach New York zurück, wo er eine Jazz-Schule gründete. Der erneute Aktivitätsschub läßt sich auch daran erkennen, daß man Bishop in den späten 70er Jahren wieder häufiger auf Platte findet, sogar an der Seite so andersgearteter Musiker wie Archie Shepp ("On Green Dolphin Street", Denon). Auf Aufnahmen aus dieser Zeit ist Bishop unter Hunderten von Pianisten herauszuhören, zu erkennen etwa an den unisono-single-lines der Chorus-Anfänge oder bestimmter Bebop-Licks, etwa dem allgegenwärtigem Carmen-Zitat.

Trotz des Bebop-Revival reduzierte ab den 80er Jahren Bishop wieder seine öffentlichen Auftritte – immerhin trat er als Mitbegründer der Charlie-Parker-Memorial-Band hervor. Inzwischen trat er verstärkt als Dichter hervor, widmete sich mehr der Komposition und der Lehrtätigkeit, unter anderem an der University of Hartfort. So empfing eine Generation von Nachwuchspianisten den Geist Bud Powells aus den Händen Walter Bishops.

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