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Ausgabe März 1998

TIP DES MONATS

Bireli Lagrene bei
Roberto Landsberger
in Regensburg

Autor:
Claus Lochbihler

Vom vielbestaunten Wunderkind, das einst wie eine Art Reinkarnation des genialen Django Reinhardt (1910-53) herumgereicht wurde, hat sich Bireli Lagrene seit Anfang der 80er Jahre in einer ungemein spannenden Serie stilistischer Verpuppungen zu einem der begehrtesten und vielseitigsten Jazz-Gitarristen überhaupt entwickelt.

1966 im elsässischen Saverne/Soufflenheim geboren, war Bireli unter der anfänglichen Anleitung seiner Vaters bis Ende der 70er Jahre zu einem Gipsy-Gitarristen herausgereift, der "seinen" Django – also den akustischen, populären Django Reinhardt des "Hot Club de France" – so virtuos und vorlagengetreu wie kein zweiter meisterte. Auf den (Nachwuchs-) "Preis der Deutschen Schallplattenkritik" mit nur 13 Jahren, das Plattendebut und die definitive Feuertaufe in Form einer Tournee mit dem unlängst verstorbenen Stephane Grappelli folgte jedoch sehr bald der Ausbruch in eine vom Jazz-Rock geprägte Emanzipationsphase. Zur Enttäuschung all derer, die eine einseitig traditionalistische, ja statische Auffassung des reichhaltigen Django-Erbes hegen, wandte sich Bireli Mitte der 80er Jahre auf der Suche nach einem wirklich eigenen Ausdruck wilden und experimentellen Jazz-Rock-Gefilden zu: Die Phase der "Djangology" – mitunter in gefährlicher Nähe einer Virtuositäts-Veranstaltung mit Kreativitäts-Korsett – war vorläufig passé, angesagt war die befreiende Begegnung mit Jaco Pastorius als Kern einer anhaltenden Fusion- und Jazz-Rock-Schiene, die Bireli Lagrene bis heute live oder im Studio mit Größen wie Stanley Clarke, Mike Stern, Dennis Chambers und Anthony Jackson zusammenbrachte.

Seinen Durchbruch als stilistisch eigenständiger, wunderbar ausgereifter Saitenkünstler markiert Lagrenes vierte und letzte Einspielung für "Blue Note", sein aufsehenderregendes "Standards"-Album von 1992 mit André Ceccarelli (dr) und Niels Henning Ørsted-Pedersen (b): Jazzbetont, aber mit dem kompromißlosen Drive seiner Fusion-Jahre, kündigte sich bereits hier eine subtil ausbalancierte, sich in den Folgejahren weiter perfektionierende Synthese von Birelis vielfältigen, bislang unverbundenen Einflüssen an, darunter auch die mal zu-, mal abnehmende, doch stets präsente Verarbeitung von George Bensons einmaligen Gitarrenkünsten.

Im gleichen Jahr datiert auch Birelis prägende Beteiligung am Album eines italo-französischen Akkordeonisten, der sich nach dem Vorbild von Astor Piazzollas "New Tango" erfolgreich daran machte, die französische Musette-Tradition zu entstauben und im Kontext einer verjazzten, sehr weltoffenen "New Musette" wiederzubeleben: Im Lichte von Birelis Django Reinhardt-Erbe stellt Richard Gallianos "Viaggio" (Dreyfus) und sein preisgekröntes, stimmungsreiches Nachfolgewerk von 1996, "New York Tango" (mit Al Foster u. George Mraz; ebenfalls auf Dreyfus), ebenso eine Fortentwicklung wie ein "back to the roots" dar: Denn wie viele andere französische Zigeuner (etwa die Gebrüder Ferret u. Gusti Malha ) auch, war der frühe Django Reinhardt in den späten 20er und frühen 30er Jahren – also vor den Erfolgen mit Grappelli und dem Quintette du Hot Club de France – nichts anderes ein begehrter Banjo-Spieler und Gitarrist, der Pariser Akkordeonisten wie Guérino und Jean Vaissade in der legendären "Rue de Lappe" und auf Musette-Bällen begleitete.

Nach neuen, derzeit noch unerhältlichen Aufnahmen, darunter auch eine Song-Book-Hommage an Frank Sinatra mit Maurice Vander, dem Pianisten von Djangos letzten, elektrisch verstärkten, BeBop-geprägten Aufnahmen des Jahres 1953, ist Bireli Lagrene am 20. März außerplanmäßig und überraschend im Regensburger Jazzdomizil, dem "Leeren Beutel", zu hören – als Stargast bei der CD-Präsentation, eines jungen, befreundeten Pianisten, Roberto Landsberger, der als deutscher Sinto neben Michel Petrucciani und Bill Evans auch Gitarristen zu seinen prägenden Einflüssen zählt. Passender Titel des vielversprechenden Erstlings mit Eugen Apostolidis (b) und Guido May (dr): "For Costa" – nach Costa Lukacz, einem verstorbenen, in einschlägigen Gitarristenkreisen aber bereits heute legendenumwobenen Gitarrenmeister ungarisch-jugoslawischer Provenienz.

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