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Jazzzeitung

2002/07-08  ::: seite 5

berichte

 

Inhalt 2002/07-08

standards
Editorial
News
no chaser: Improvisation verboten
Musiker-ABC: Roy Eldridge
break

titel
Lebenslange Melodie.
Tomasz Stanko wird sechzig

berichte
Dresden.
Das Moscow Art Trio in der Unterkirche der Dresdner Frauenkirche

Dresden.

Gianluigi Trovesis „Sommernachtstraum“

München.

„Come Sunday“ mit Instabile Orchestra

Neuburg.
Till Brönner: Süffig

New Orleans.
33. New Orleans Jazz and Heritage Festival

Würzburg.

Rekord-Besucherzahlen beim 14. Würzburger Afrika Festival 2002

jazz heute
 Der Jazz und die Donau
Straubing bekommt ein traditionsreiches Festival
  Aufruf an die Jazzszene in Deutschland
  no chaser: Improvisation verboten
  Leserbrief. Selbstbedienungshalde. Ein Leserbrief zum Thema „Jazz im Radio“

portrait / interview
Visionäre Linien
Trio-CD mit Thorsten Klentze
An der Grenze zum Neuen
Gilberto Gil mit neuer CD auf Deutschlandtournee
Ein Name als Markenzeichen
Im Gespräch mit dem Produzenten Siggi Bemm
Sein Weg
Franz Dannerbauer wird 50
Geschichtenerzähler des Jazz
Jubilar Joe Zawinul am 17. Juli beim Münchner Klaviersommer

play back / rezensionen
Jugendsünden
Artie Shaw: Frauenheld, Grübler und Perfektionist
Progressive Klänge und sentiment
Big Bands der Nachkriegszeit auf neu erschienenen Tonträgern
Spannende Lebenslinien
William A. Shack in Paris, Gil Evans und Henry Mancini
Musikalischer Nasenbär
Multitalent Volker Kriegel und sein Kinderbuch
Zuverlässige Übestützen
Neue Noten für Jazz-Gitarristen und Sänger-/innen
Internet. Link-Tipps

education
Fortbildung. Fortbildung
Abgehört 8
Transkription des Klassikers „I Could Write A Book“ von Rogers/Hart (Miles Davis)
Musikindustrie einbeziehen.
Die Jazzabteilung an der Musikhochschule Köln, Teil II

dossier
Komponist ohne Noten
Der Ensemble-Innovator Charles Mingus

service
Critics Choice
Rezensionen 2002/07-08
Service-Pack 2002/07-08 als pdf-Datei (kurz, aber wichtig; Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV, Jazz in Bayern und anderswo (188 kb))

 

Archaik und Intelligenz

Das Moscow Art Trio in der Unterkirche der Dresdner Frauenkirche

Wohl selten ist eine Musik zu hören, die Intelligenz und Unterhaltsamkeit in derart beeindruckender und den Zuhörer mitreißender Weise miteinander verbindet wie im Falle des Moscow Art Trios. Zum Konzert in der Unterkirche der Frauenkirche konnte sich jeder von der exzellenten Qualität der Musik, von der ansteckenden Spielfreude der Musikanten und vom grenz- und stilüberschreitenden Programm der drei überzeugen. Hier floss, virtuos musiziert, Kammermusikalisches aus dem Stilreservoire des 19. Jahrhunderts, jazzige Improvisationen, vertrackte, an Bop erinnernde Themen und ganz besonders Folklore aus dem rumänischen, moldawischen, skandinavischen und russisch-sibirischen Raum zu einem begeisternden Konzerterlebnis zusammen. Bereits nach dem ersten Auftritt des Trios in Dresden, 1996 im Jazzclub „Tonne”, schrieb eine Dresdner Zeitung euphorisch: „Unglaublich!”

Multiinstrumentalisten: das Moscow Art Trio. Foto: Archiv Jazzzeitung

Seither haben sich die drei Musikanten in vielfältiger Weise perfektioniert, was aber auch bedeutet, dass einige ihrer Songs längst den Status eines Quasi-Hits erhalten haben. Das scheinbar einschränkende „quasi” weist hier natürlich auf ganz andere, höhere Qualitäten als die einfacher Kassenschlager hin – nachzuvollziehen anhand des frappierenden Solos Misha Alperins, der im Rückgriff auf eine seiner älteren, einst für Trio arrangierten Kompositionen, „Wild Village Dance”, einen pianistisch-stimmlichen Solo-Parforce-Ritt mit allen rhythmisch-metrischen Finessen vollführte. Raffinierte Taktverschiebungen in höchstem Tempo, mal überholte die rechte Hand die linke, dann wieder umgekehrt, rhythmische Schein-Stolperer, darüber ein irrlichternder Falsett-Gesang, der immer mal wieder das hitverdächtige Thema durchblitzen ließ – das faszinierte Publikum hielt gebannt den Atem an, um dann in eine Jubelorgie auszubrechen. Hitverdächtig im musikantisch allerbesten Sinne war auch die raffiniert auf Melodica, Ochsenhorn-„Tuten“ (eine Art folkloristisches Rohrblattinstrument, das wie eine Blockflöte gespielt wird) und Flügelhorn dargebrachte Komposition „Wedding in the wild forest“, die von Anfang an zum Standardrepertoire des Moscow Art Trios gehört. Frappierend war, wie homogen die drei Musikanten drei musikalische Welten zu einem Hohelied auf Musik verschmolzen: Klassik schlechthin (Shilkloper), moldawisch beeinflusster moderner Jazz (Alperin) und uralte, lebensgierige russische Folklore (Starostin). Da stimmte sowohl rhythmisch als auch klangfarblich jede Nuance, alles war locker und wie aus dem Handgelenk durchgespielt. Als Multi-Instrumentalisten konnte jeder alles – Alperin trommelte auf dem Klavierdeckel oder mit verschieden dicken Plastikschläuchen auf eine Unterlage und wummste den Rhythmus auf dem Bühnenboden, Starostin sang wie ein russischer Gott aus dem Donkosaken-Chor, bewältigte mühelos alle schamanistischen Stimmvariationen und die halsbrecherischsten Intervalle, Shilkloper quietschte melodische Floskeln auf seinen Mundstück-Resten - und Sekunden später verwandelte sich durch die warmen Sounds seines Flügel- und seines Waldhorns ein sibirischer Ritualsong in ein wehmütiges Stück klingender Romantik. Und wie rhythmisch-melodisch beweglich Shilkloper dann auch noch das Alphorn handhabte, gab dem Konzert einen zusätzlichen Höhepunkt. Hinsichtlich der Band-Biografie ist interessant, wie das Moscow Art Trio entstanden ist. Weil Arkadi Shilkloper – einst als Hornist Mitglied des Orchesters des berühmten Bolschoi-Theaters und dann des Moskauer Philharmonischen Orchesters – krisenbedingt nur noch schwer Arbeit fand, begann er auf dem „freien Markt“ der Musikszene zu arbeiten, lernte dadurch Misha Alperin kennen, der sich innerhalb einiger Jazzbands mit der Synthese zwischen russischer und moldawischer Folklore und Jazz beschäftigte. Gemeinsam trafen sie auf den Folklore-Kenner Sergej Starostin – das Moscow Art Trio war geboren.

Mathias Bäumel

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