Anzeige

Startseite der Jazzzeitung

Anzeige

Startseite der JazzzeitungZum Archiv der Jazzzeitung (Datenbanken und pdf)Zur Rezensionsdatenbank der JazzzeitungZur Link-Datenbank der JazzzeitungClubs & Initiativen Die Jazzzeitung abonnierenWie kann ich Kontakt zur Jazzzeitung aufnehmen
 
 2001/01

 seite 27-28
 dossier

 

Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 01/2001


Inhalt 01/2001

Standards
Editorial
News
Education: Nürnbergs neuer Hochschulstudiengang
Glossar: Oldtime Jazz

titel / jubilee
Der Pianist Jens Thomas
Joe Haider wird 65

jazz heute
Der Jazzer und der DJ
Break (von Joe Viera)

berichte
9. Allgäuer Jazz Woche
Charlie Mariano Trio im „Leeren Beutel“

story
Branford Marsalis
Die Arbeit des BuJazzO

stadt-portrait
Jazz in and out of Rosenheim

studio-portrait
Bob Rückerl und das Bobtale Studio

dossier
Über die Arbeit des Landesjugendjazzorchesters Bayern
Maximaler Jazz

medien/service
Franz Dannerbauer auf Video
Link-Tipps
Charts
Rezensionen 2001/01
Service-Pack 2001/01 als pdf-Datei ( Kurz aber wichtig, Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV Jazz in Bayern und anderswo (256 kb) )

 

Mit den Profis Proben

Über die Arbeit des Landesjugendjazzorchesters Bayern

Das Landesjugendjazzorchester Bayern (LJJB) wurde 1987 in Regensburg gegründet. Träger ist der Verband Bayerischer Sing-und Musikschulen e.V, finanziert wird es aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Seit 1997 ist es an der Bayerischen Musikakademie in Marktoberdorf zu Hause, organisatorischer Betreuer ist in der Nachfolge von Gründervater Richard Wiedamann seit 1998 Willi Staud. Richard Wiedamann ist weiterhin fachlicher Betreuer. Im Orchester spielen insgesamt zirka 150 junge Jazzmusikerinnen und -musiker aus ganz Bayern mit, Höchstalter für die Zulassung ist 25 Jahre. In unterschiedlicher Zusammensetzung treffen sich Musiker und Dozenten zu vier bis fünf Arbeitsphasen im Jahr. Die musikalische Leitung des Orchesters hat Harald Rüschenbaum inne, weitere feste Dozenten sind Stephan Zimmermann (Trompete), Johannes Herrlich (Posaune), Karsten Gorzel (Saxophon, Arrangements) und Walter Lang (Rhythmusgruppe). Auftritte gab es dieses Jahr beim Bayerischen Musikschultag am Tegernsee, beim Fest der Bayern in Regensburg und bei den Bayerisch-Rumänischen Kulturtagen in Sibiu/Hermannstadt.
Eine Stimme, die den Raum aufheizt.

Und die Sängerin Shirin al Mousa zum Leuchten bringt.

Schirin Al-Mousa und das Orchester bei den Rumänisch-Bayerischen Kulturtagen in Sibiu/Hermannstadt.
Alle Fotos des Dossiers: Willi Staud

Leicht gerötet mit glühenden Augen lässt sie den Song „Madalena“ im Gesangsduo mit Stefan Noelle an der Gitarre ausklingen. Der „Sailerkeller“ in Marktoberdorf hat sich in Schwabens heissesten Jazzclub verwandelt. Seit fast 4 Stunden lässt eine Formation nach der anderen farbige Perlen, satte Klangtropfen und mitreissende Ströme feinster Jazzmusik in das Publikum fliessen. Christina Brodersen setzt mit ihrer Sessionband gerade zum Intro auf dem Altsax an, die Unterhaltungen im Wirthaus versiegen. Auf der in der Ecke des Saales improvisierten Bühne pulsiert und lebt der Jazz. Und die Zuschauer toben nach Christinas Solo. Am vorletzten Abend der 3. Arbeitsphase in diesem Jahr heisst es Freispiel. Da legen sich die Musikerinnen und Musiker des Landesjugendjazzorchesters Bayern ins Zeug, da wird frisch gelerntes mit Witz und lustvoller Energie in den Raum gejammt. Da scheinen sich die Anstrengungen der bereits viertägigen Probenarbeit wie die Rauchschwaden über den Gästen des Wirtshauses in Luft aufzulösen. Die Augenringe der Musikerinnen und Musiker erzählen nur noch von den Erfahrungen der letzten Tage. Diesmal stand die Arbeitsphase unter dem Motto: Die Musik von Duke Ellington.

Jazzzeitung: Wie entstehen solche Themen?
Willi Staud: Wir setzen uns bei jeder Arbeitsphase Schwerpunkte. Diesmal war es ein kochender, swingender Big-Band-Sound. Es entstand im Team die Idee, mit einem Duke-Ellington-Programm am Sound und der Stilistik der Band zu arbeiten.

JZ: Wie setzt ihr so ein Thema um?
Staud: Wir entwickelten den Wunsch, unseren Musikerinnen und Musikern den Stil und den Typ Duke Ellington näher zu bringen. Dazu feilten wir an den Arrangements, die von Karsten Gorzel zum Teil gezielt umgeschrieben wurden, um für unsere Leute auf den Punkt zu kommen. Dazu gehörte auch den, Drive der Duke Ellington Big Band anhand von Videos zu vermitteln.

JZ: Eine Frage zum Team. Mein Eindruck ist, dass mit Harald Rüschenbaum, Karsten Gorzel, Walter Lang, Johannes Herrlich und Stefan Zimmermann hier sehr unterschiedliche Charaktere und Temperamente zusammenfanden. Wie kam das?
Staud: Das ist eindeutig Richard Wiedamanns Verdienst. Er hat hier Menschen und Musiker zusammengeführt, die sich ganz hervorragend ergänzen und die das ganz breite Spektrum des Jazzspielens weitergeben können. Harald war bereits unter Dusko Goykovich Dozent und hat einfach das Zeug zum Leader. Der Kreis an Dozenten hat sich dann zusammengefunden und ein Konzept geschmiedet, dass sich sehr von anderen Orchestern unterscheidet, die ja in erster Linie auf Konzertprogramme hinarbeiten.

JZ: Welchen Arbeitsstil habt ihr dann?
Staud: Im Vergleich zur üblichen Big-Band Arbeit gibt es bei uns einfach Freiräume zum Ausprobieren. Daraus entstehen dann solche Dinge, dass die ganze Band anhand von Karsten Gorzels Methoden auf einmal ganze Stücke frei improvisiert.

JZ: Wie sieht das aus?
Staud: Karsten ist zum einen schon ein untypischer Lehrer. Er arbeitet sehr viel mit Rhythmik und Sprache. Es geht bei ihm immer um Energie, die er in der Musik bündelt. Er weigert sich, den Musikern etwas vorzuspielen, das wäre zu einfach. Die Leute müssen die Musik für sich selber entdecken, dann können sie ihren Inhalt erst richtig wiedergeben.

JZ: Wie nehmen die Musiker diese Arbeitsmethoden auf?
Staud: Unterschiedlich. Ich hab’ die Erfahrung, dass die Teilnehmer, die das erste Mal da sind, erstmal sehr verwundert sind. Die meisten ziehen dann aber mit, denn das Arbeitskonzept ist immer offen. Sie kommen immer irgendwie rein, egal auf welchem Stand sie sind. Manche kommen mit der Vorstellung, da zeigt mir einer diesen Stil oder die Improvisation und dann bin ich gut. Aber so zu arbeiten, ist nicht unser Ziel. Die Orchester-und Satzarbeit findet in zwei Besetzungen und einer dritten Rhythmusgruppe gleichzeitig statt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass durch unseren festen Dozentenstamm und immer wiederkehrender und aufbauender Arbeit an immer neuen Aufgaben beim ganzen Orchester eine unglaubliche Frische entsteht. Man glaubt dann einfach, dass die Musiker ihre Gefühle spielen können.

JZ: Bei der Probenarbeit hatte ich immer wieder den Eindruck, dass Spass und Humor in Eurer Arbeit sehr wichtig sind, gerade bei Harald.
Staud: Mit diesem Humor holt sich Harald auch die ständige Präsenz. Es gibt keinen, der etwas auslässt, weil die Probenarbeit einfach Spass macht. Er ist da einer der wenigen, der das kann.

JZ: Aber trotz allem spontanen Witz hatte ich das Gefühl, er gibt klar die Richtung vor.
Staud: Er will es wissen, und das spüren alle und sind voll mit dabei. Selbstverständlich sind das dann auch Stücke, die die Teilnehmer spielen wollen. Und dann groovt das ganze auch.

JZ: Wie seht ihr Eure Rolle als eine Art Ausbildungsorchester im Vergleich zu anderen Big Bands, wie etwa dem BuJazzO?
Staud: Wir wollen und können gar keine Konzert-Big Band sein. Wir sind ein pädagogisches Unternehmen mit einem völlig anderen Konzept. Die Konzerte finden meistens als Abschluss der Arbeitsphasen statt. Wir wollen auch keine Konkurrenz zu den bestehenden Big Bands. Im Gegenteil. Das heutige Summit Jazz Orchester ging aus dem Landesjugendjazzorchester hervor, das 1997 auf USA-Tournee war. Baritone and Friends aus Augsburg oder auch das Sunday Night Orchestra , da gibt es überall Leute, die vom Landesjugendjazzorchester kommen.

JZ: Wie sehen das Euere Musiker? Gibt es da nicht auch den Wunsch mit dem Landesjugendjazzorchester den Sprung ins Leben als Berufsmusiker zu schaffen?
Staud: Da tut sich natürlich das Loch auf, in das jeder erst mal fällt, wenn er 25 wird. Er ist bei uns bis dahin mit dabei, wir wollen, dass er eine Spitzenausbildung bekommt, und danach wird es natürlich erst mal schwierig, in der Qualität und auf diesem Standard wieder etwas zu finden. Selbstverständlich helfen wir ihm dabei.

JZ: Wie wichtig ist es denn Eueren Musikern und Musikerinnen Konzerte zu machen?
Staud: Meine Erfahrung ist, dass dieses „mit dem Orchester Konzerte spielen“ für unsere Leute nicht das Wesentliche ist. Den Leuten geht’s viel mehr ums Handwerkliche, weil sie einfach mit Dozenten zusammenarbeiten, die Ihnen was vermitteln können. Wir haben immer wieder Gastdozenten wie jetzt Don Menza oder letztes Jahr Bobby Shew. Die können dann aus langjähriger Profi-Sicht sehr viel erzählen, und diese Geschichten fressen unsere Leute auf. Und dann noch mit denen zu arbeiten, ohne den Druck eines Konzerts im Rücken, das macht ihnen dann Spass.

JZ: Wie geht es weiter mit dem Landesjugendjazzorchester?
Staud: Nächstes Jahr würden wir gern mit Stücken aus unseren eigenen Reihen arbeiten und wenn es klappt, die auch aufnehmen. Im Umfeld des Orchesters würde ich gerne mehr Workshops für Lehrer in Zusammenarbeit mit unserem Träger, dem Verband der Bayerischen Musikschulen und der Musikakademie, machen. Denn da finde ich es ganz wichtig mit Jazz anzusetzen, um Berührungsängste abzubauen. Das sind natürlich alles Dinge, die auch Zeit und vor allem Geld kosten. Auch der Ausbau unserer Öffentlichkeitsarbeit wäre einfach wichtig. Aber eines ist klar: Im bundesweiten Vergleich mit anderen Landesjugendjazzorchestern stehen wir recht gut da. Wir können froh sein, daß wir mit der Unterstützung des Kultusministeriums und des Verbands schon soweit gekommen sind.

                                                 

Freitag nachmittag. Abschlusskonzert der Arbeitswoche. Vor der Stadthalle schüttet es aus Eimern. Das Open Air Konzert für den Nachmittag auf der Terrasse des „König-Ludwig-Musical Theaters“ im benachbarten Füssen muß ausfallen. Die Musikerinnen und Musiker scheint das ziemlich unberührt zu lassen. Während die B-Formation die Instrumente stimmt, füllt sich der Saal der Stadthalle mit den Teilnehmern des Volksmusik-Seminars aus der benachbarten Musikakademie. Eine herzliche Begrüßung von Harald, ein spontanes Dankeschön für das Interesse am Jazz. Dann eine kurze Drehung zu seiner Band. Die Hände wirbeln in der Luft, A one, two, three, und der A-Train des Landesjugendjazzorchesters Bayern zieht mit Volldampf ins Publikum.

                                                 

Am nächsten Morgen im Frühstücksraum. Zwischen Wurstplatte und Marmeladensemmel wird am Tisch nochmal der vorherige Abend kurz abgehakt. „Der Max hats wieder mal ganz schön krachen lassen...“
Das Hin und Her erinnert an Fußballertrainingslager, aber nicht die Viererkette steht im Mittelpunkt der Gespräche, denn schon nach dem Köpfen des Frühstückseis liegt Duke Ellington in der Luft. „Wir müssen zur Tutti-Probe“, meint Benedikt. Walter Lang, der Rhythmusdozent, lächelt vom Tischende her und nimmt sich noch einen Kaffee.
Taaak, taa, tak-tak,taak, die A-Formation intoniert mit der Stimme den Rhythmusablauf. Taaaak- taaa, tak-tak, taak... – Harald Rüschenbaum legt das Tempo vor und zerschneidet mit den Händen kräftig die Luft. Die Bandmitglieder wiederholen die Sprechfetzen, greifen langsam zu den Instrumenten und die Stimmen gehen über in Klang. Der Motor der Band beginnt zu laufen, unsichtbarer Treibstoff vibriert zwischen den Musikern. Harald wirft ein kurzes Umarmen in die Luft. Die Band reagiert mit einem musikalischen Schmunzeln, ausgedrückt in einer kurzen Steigerung der Lautstärke.
Spielwitz, Humor und das Tun im Augenblick, eben Jazz. Harald und das Team der Dozenten arbeiten wie Maler, die mit den Bandmitgliedern eine Entdeckungsreise auf der Leinwand unternehmen. Sie versuchen, jedem seine Farbe finden zu lassen, und dann wird gemeinsam ein Bild geschaffen. Klar, schillernd und kräftig. „Caravan“ zieht dann los wie eine Lokomotive, exaktes Timing, das Einsetzen des Solos, kräftiger Beat.
Eine Big-Band, die an sich selber wächst, die den puren Spass am miteinanderspielen in hellen Farben auf den Zuhörer aufträgt.
„Caravan“ wird dann zum Erlebnis.

Text und Interview: Günter Bonack, Geschäftsführer des Bayerischen Jazzinstitutes.


| home | aktuell | archiv | links | rezensionen | abonnement | kontakt | impressum
© alle texte sind urheberrechtlich geschützt / alle rechte vorbehalten / Technik: Martin Hufner