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Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 11/2000

2000/11

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Farewell

Seite 23

Der meistergroover

Zum Tod von Stanley Turrentine

Jazz-Puristen mochten Stanley Turrentine nicht sonderlich. Spätestens seit den 70er-Jahren, als er wegen seines Hits „Sugar“ in aller Munde war, nahmen sie ihm seinen Erfolg übel. Er selbst kümmerte sich nicht um Genre-Grenzen und die Vorschriften der Jazz-Polizei: „Es natürlich für mich, dass ich heute eher als Soul- oder Popmusiker betrachtet werde. Ich will, dass mir viele Leute zuhören. Ich will Platten machen, die man auch verkaufen kann, und zwar jedem Menschen“. Naserümpfend schwangen die Kritiker die Verbalkeule „kommerziell“ über ihn. Vergessen hatten sie, wie großartig Turrentine auch hardbopte, etwa 1959 bis 1961 bei Max Roach, der nach Größen wie Sonny Rollins und Hank Mobley wohl kaum einen mittelmäßigen Tenoristen engagiert hätte. Überhört wurde, dass sein Spiel auch in seichtesten Gewässern ansprechend, da aufrichtig blieb.

Stanley Turrentine, dieser begnadete Schüler von Ben Webster, Gene Ammons, Don Byas und Sonny Rollins, dieser „Soul Brother“ mit dem überschwänglichen, farbenprächtigen Sound, gehörte, ob die Gralshüter nun wollten oder nicht, fraglos zu den großen Tenoristen der Gegenwart. Stark geprägt haben den 1934 in Pittsburgh Geborenen („The only Texas tenor from Pittsburgh!“) seine Anfänge in Blues, R & B und Soul: In den frühen 50er-Jahren wirkte er bei Lowell Fulson, Ray Charles sowie – als Nachfolger von John Coltrane und Vorgänger von Benny Golson – bei Earl Bostic. Als in den 60er-Jahren der „Soul Jazz“ regierte, war Stanley Turrentine an vorderster Front dabei.

Schubladendenken war ihm fremd: Stanley Turrentine. Foto: Werkmeister

Für Blue Note spielte der Könner mit dem weiten Sound unzählige Alben wie „Up At Minton’s“ ein. Vor allem an der Seite von Hammond-Meistern wurde Turrentine zur Legende: So entstanden Kultalben mit Jimmy Smith („Back At The Chicken Shack“) und Shirley Scott, die mit Turrentine 10 Jahre verheiratet war. Fruchtbare Zusammenarbeit verband Turrentine auch mit Horace Silver, seinem Bruder, dem Trompeter Tom Turrentine, aber auch mit Popgrößen, bevor er in den letzten Jahren wieder mehr Straight Ahead Jazz spielte. Unlängst äußerte er: „Eines Tages ordneten mein Stiefsohn und ich meine Alben. Da stellte ich fest, dass sie einige meiner Alben unter Rock’n’Roll, andere als Bebop, andere als Pop oder Fusion kategorisierten. Ich meinte dazu: Ich spiele zwar in verschiedenen Rahmen, aber spiele immer noch auf die gleiche Art.“ Diese bluesverwurzelte, drivegeladene, tief aus der Soul kommende Art des am 11. September an den Folgen eines Schlaganfall verstorbenen Meistergroovers werden wir vermissen.

Marcus A. Woelfle


Die Jazzzeitung verabschiedet sich von....

Joe Hackbarth (31.7.31 Belgard, Hinterpommern – August 2000 Falken-Gesäß). In den letzten Jahren seines Lebens war er besser als Maler bekannt. In den 50er-Jahren galt Hackbarth allerdings als einer der besten deutschen Jazz-Schlagzeuger. Aufsehen erregte er vor allem durch seine Mitwirkung im Wolfgang Lauth Quartett. Es bestand 1956 aus dem Pianisten Lauth, dem Bassisten Hans Kresse und dem Gitarristen Werner Pöhlert, der Hackbarth zu Lauth gebracht hatte. Ihren charakteristischen Sound bekam die Cool-Jazz-Combo, als 1957 der Vibraphonist Fritz Hartschuh den Gitarristen ersetzte und der Bassist Klaus Wagner in die Band kam. Das Wolfgang-Lauth-Quartett erinnerte dann von der Besetzung her ein bisschen an das Modern Jazz Quartett, zumal Lauth auch ein Vorliebe für Barockmusik hatte. Statt nur amerikanische Standards zu spielen, spezialisierten sich aber Hackbarth und seine Freunde auf Originals und deutsche Lieder wie „Kauf Dir einen bunten Luftballon“. In den 60er-Jahren, als Beat und Rock das Feld übernahmen, verlegte sich Hackbarth (der sogar ein Angebot von Edelhagen ausgeschlagen hatte, weil der ihm zu kommerziell war) zunehmend auf die Malerei.

Willie Cook (11. November 1923 Tanipahoa, Louisiana – 22. September 2000 Stockholm) hat im Laufe seiner Karriere unter anderem in den Orchestern von Earl Hines, Jimmie Lunceford, Dizzy Gillespie und Count Basie gewirkt. Bekannt wurde er allerdings als Lead-Trompeter des Duke Ellington Orchesters. Mit Unterbrechungen wirkte er von 1951 bis 1973 beim Gottvater des großorchestralen Jazz wirkte. Ellington betrachtete ihn als den besten Lead-Trompeter überhaupt; er war aber auch ein vorzüglicher Solist. Vor allem Aufnahmen aus seiner ersten Zeit bei Ellington, den frühen 50er-Jahren, die bei Ellington-Fans nicht so beliebt sind, belegen dies; später ging er in der Menge der Star-Solisten etwas unter. In Skandinavien arbeitete er unter anderem mit Ernie Wilkins.

Baden Powell (6. August 1937 Varre-e-Sai, Brasilien – 26. September 2000 Rio de Janeiro). Mit dem Bossa-Nova-Pionier Roberto Baden Powell de Aquino verlieren wir einen der einfallsreichsten Gitarristen und Komponisten („Berimbau“), ein wichtiges Aushängeschild der brasilianischen Musik aus der Zeit der 60er-Jahre als die Bossa Nova en vogue war. Seine Afro Sambas genossen gerade in Deutschland große Popularität. Viele seiner besten Platten (einige von Berendt produziert) entstanden in Deutschland, Baden Powell lebte sogar viele Jahre in Baden-Baden.

Carl Sigman (1909 Brooklyn – 26. September 2000 New York) Der Komponist und Textdichter landete mit mehreren Songs „Pennsylvania 6-5000“ (mit Jerry Gray für Glenn Miller), „All Too Soon“ (mit Duke Ellington) Hits.

Nick Fatool (2. Januar 1915 Milbury, Massachusetts – 26. September 2000 Los Angeles) spielte 1938–40 bei Benny Goodman und gilt als einer der besten Drummer, die der King of Swing hatte. 1943 zog er an die Westküste, wurde Studiomusiker und musizierte mit Größen wie Louis Armstrong, Billie Holiday, Erroll Garner, The World’s Greatest Jazzband sowie Bob und Bing Crosby.

Marcus A. Woelfle

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