Emotional schimmerndes Amulett: Das neue Album Jasper Van´t Hofs

Demnächst wird er 77. Ans Aufhören aber scheint der Niederländer Jasper van´t Hof keine Sekunde seiner Lebenszeit zu verschwenden. Das Kreative, das Musik machen, erfinden, kreieren ist offenbar die beste Voraussetzung, damit das Leben für ihn seit über fünf Jahrzehnten genießbar bleibt und es verschönert. Aktueller Ausdruck dieser Lebenslust  ist ein neues Quartett-Album, das der agile Tastenmann als „Skin Under“ bei seinem langjährigen Label Jaro veröffentlicht. Das begleitet und unterstützt seinen musikalischen Output immerhin auch bereits seit vier Jahrzehnten. Damals, im düster umwölkten 1984, hatte van´t Hof Pili Pili gegründet, sein tanzbares und clubtaugliches Afrika-Jazz-Projekt, mit dem er sogar einen veritablen Clubhit landete. Zudem erklomm die Sängerin Angélique Kidjo mit dieser Band eine weitere Stufe auf ihrer Weltkarriere. Eine beeindruckende Karriere Mit „Skin Under“ fügt der stilistisch enorm vielseitige und nicht nur bildlich gesehen weit gereiste Pianist, Organist und Keyboarder seiner langen Kette funkelnder Musikperlen ein weiteres musikalisches Amulett hinzu. Sieben Stücke enthält das Album, nur eines nicht aus van´t Hofs Feder. Lediglich die intime Ballade „Marsch fuer Oelze“ mit einem zu Herz gehenden Basssolo (Stefan Lievestro) ist vom Schlagzeuger Ralf Hübner komponiert. Bei der …

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Klangkosmos zwischen freier Improvisation und Struktur: CDs von Joachim Zoepf

Als Jazzmusiker würde er sich heute nicht mehr bezeichnen, meint der in Erftstadt lebende Holzbläser Joachim Zoepf. Dabei hat der im Spessart aufgewachsene Musiker in diesem Genre seine ersten Meriten verdient – und als Mitglied der damals schwer angesagten Kölner Saxophon Mafia auch viele Erfolge gefeiert. Bald schon stieg er bei dieser Bande von Grenzgängern, humorvollen Musikanten und Freigeistern wieder aus und wandte sich mit Kooperationen in viele Regionen Europas dem freien Jazz bis hin zur Neuen Musik zu. Von da aus entwickelte er sich immer mehr zur frei improvisierten Musik und einer eigenen Spielweise. Diese bezeichnet er als „Neue Improvisierte Musik, deren Ausdrucksmittel und Klangmöglichkeiten ich seit über zwanzig Jahren entwickle und erforsche.“ Mit dem zunehmenden Einfluss elektronischer Musik und Mittel hat er sich immer weiter vom (Free-)Jazz entfernt und eine eigenständige Spielpraxis herausgebildet. Wesentliches Stilmerkmal in seiner Soloarbeit ist der hohe Anteil geräuschhafter Elemente, die zum großen Teil durch unorthodoxe Handhabung seiner Instrumente, Überblasen, Veränderung des Ansatzes und andere Techniken erzeugt werden. Lässt sich Adorno mit Free-Jazz versöhnen? In den letzten zwei Jahrzehnten hat er mehrere Soloproduktionen eingespielt, die teils erst in letzter …

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Der „Blackbird“ fliegt im Duo – Yumi Ito und Szymon Mika in Regensburg

Das polnisch-japanische Duo mit Yumi Ito und Szymon Mika spielt bei seinem Regensburger Debüt mit Vielfalt und Offenheit auf Regensburg: Fast konnte man meinen, das Konzert fiele aus, so kahl wirkte die Bühne im Leeren Beutel. Zwei Ständer mit Mikros, der Flügel abgedeckt, zwei scheinbar zufällig rumstehende Monitorboxen und ein Ständer mit einer Gitarre. Erst als Sängerin Yumi Ito und der Gitarrist Szymon Mika vom seitlichen Backstagebereich auf die Bühne kamen, konnten die Zuhörer sicher sein, dass das unter dem Titel „Ekual“ stehende Duokonzert tatsächlich stattfindet. Eine kleine Wasserflasche, die Ito neben der Monitorbox abstellte, verstärkte  den minimalistischen Eindruck noch. Duos sind im Jazz keine Seltenheit, haben manchmal auch ökonomische Gründe. Bei dem polnisch-japanisch-schweizerischem Duo hat das keine Rolle gespielt. Ito, die eine polnische Mutter hat, und Mika lernten sich in Basel kennen. Sie lebt dort und der polnische Gitarrist vervollständigte in der Kulturhauptstadt der Schweiz sein in Krakau begonnenes Studium mit einem Masterabschluss. Als die beiden während einer Aufnahmepause ein wenig zusammen spielten, meinte der amerikanische Bassist Steve Swallow, sie sollten „unbedingt ein Duo gründen“. Davon angefixt, nahmen die jungen Musiker die Aufforderung als …

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Weiche Klänge, sehnsuchtsvolle Melodie – Angela Avetisyan in Regensburg

Münchner Trompeterin Angela Avetisyan begeistert mit ihrem Quartett und einem „Eastern Sketchbook“ Regensburg: Patriarchale Diskussionen, ob Frauen Musik machen und bestimmte Instrumente spielen können, sind im letzten Jahrhundert sowohl in der Rockmusik, wie im Pop- und Jazzbereich geführt worden. Heute ist es um diese Fragen still geworden. Dennoch sind Musikerinnen, die als Leaderinnen eine eigene Band führen immer noch eher die Ausnahme als der Normalfall. Für die Münchnerin Angela Avetisyan ist das kein Thema – und war es vermutlich auch nie. Nach Ausbildung und Musikstudium, die sie mit zwölf Jahren begann und bei Professor Claus Reichstaller an der Hochschule für Musik und Theater München mit Bravour abschloss, legte sie sofort mit ihrem ersten Quartett los. Jetzt stellte die exzellente Trompeterin mit der aktuellen Besetzung ihr neues Album „The Eastern Sketchbook“ beim Jazzclub im Leeren Beutel vor. Entstanden ist es vor knapp zwei Jahren im Eigenverlag und folgt der konzeptionellen Idee einer musikalischen Reise Richtung Osten. Den leicht schaukelnden Start mit einem rhythmischen Trompetenmotiv zum „Breakfast in Damaskus“ kann man sich heute in Wirklichkeit kaum noch vorstellen, zu sehr steht auch die uralte malerische Stadt im …

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Klangmaler Matthieu Bordenave mit neuer CD „The Blue Land“

Kaum zu glauben, wie schnell die Zeit vergeht. Im Februar 2019 stellte der Saxophonist Matthieu Bordenave eindrucksvoll sein Trio mit Patrice Moret am Kontrabass und dem Pianisten Florian Weber im Rahmen des BMW Jazz Awards vor. Ein Konzert, das sich tief in meine Erinnerung eingegraben hat. Gut eineinhalb Jahre später erschien dann sein Album „La Traversée“ bei ECM Records und fand national wie international große Beachtung. Bei seinem neuen, gerade erschienenem Album „The Blue Land“ erweitert Bordenave sein bewährtes Trio um den filigran spielenden Schlagzeuger James Maddren. Nach einer inspirierten 2022er Summerweek im Münchner Jazzclub Unterfahrt ging Matthieu Bordenave kurz danach mit dem Quartett ins Studio und nahm sein neues ECM Album „The Blue Land“ auf. Die Beteiligung des Schlagzeugers James Maddren erwies sich als ausnehmend fruchtbar und konstruktiv für die Band. Die auf „La Traversée“ begonnene Klangreise knüpft mit der neuen Aufnahme direkt an und zeigt auf, wie sich Bordenaves musikalische Ideen weiterentwickelt haben. Im Vordergrund stehen dabei nach wie vor behutsam konzentrierte Klänge, ruhig, fast meditativ gespielt. Inspiriert sind die Stücke, die sich teilweise aus freien Assoziationen entwickeln, zum Teil aus Bordenaves Heimat: …

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Neues Album von Anna Maria Sturm und Sven Faller

„…Und er fällt, fällt, fällt!“ Regen als Freund, als willkommen geheißener Begleiter, als Reinwascher. Selten gibt es einen schöneren Song im Pop, der den Regen und das Gefühl besingt selbst ein Regentropfen zu sein. „Nur mich“ nennt Anna Maria Sturm dieses innige Bekenntnis, mit dem das gleichnamige neue Album der Sängerin und Schauspielerin endet. Es erscheint am 26. Januar und wird auf allen gängigen Plattformen zu finden sein. „Nur mich“ Gleich mit zwei Konzerten feiert die Schwandorferin mit ihrer neuen Band Sturm die Veröffentlichung beim renommierten Münchner Label Enja Records. Nachmittags singt sie in Germering und am gleichen Abend ist sie in der Abendschau des BR-Fernsehens zu erleben. „Nur mich“ ist das bisher persönlichste musikalische Projekt Sturms. Geprägt ist es vorrangig von den Eindrücken welche die schwierigen Corona-Jahren bei der Künstlerin hinterlassen haben. „Ich habe damals in einer Druckerei gearbeitet“, erzählt sie über ihre Strategie von einem Tag auf den anderen ohne Arbeit, Aufträge und Einkommen dazustehen. „Manchmal war ich richtig verzweifelt, wußte nicht wie es weitergehen sollte und hasste alles und mich selbst am meisten“. Mit knalliger Wucht Mitten hinein in diese von Ängsten, …

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Delphine und Bienen – CD von Andreas Dombert & openthebox Trio: „unperfect buildings“

Von Michael Scheiner. Es liegt eine Zärtlichkeit und Bewunderung in diesen paar Noten, die Andreas Dombert auf den Saiten seiner Gitarre anschlägt, die ans Herz gehen. Den verspielten Meeresbewohnern, den „Dolphins near Venice“, widmet der Regensburger Musiker ein langes Intro, bevor sich Bassist Axel Kühn mit einem schön gerankten melodischen Motiv dazu gesellt. Man hört ihrem leichten, ein wenig in sich versunkenen Spiel auch dann noch an, dass sie diesen klugen Tieren echten Respekt entgegenbringen, wenn das einsetzende Schlagzeug plötzlich Haken schlägt und das Verspielte eine etwas  härtere Gangart einnimmt. Nachhaltiger Eindruck Das sanfte Stück steht am Anfang des Debütalbums „unperfect buildings“ von openthebox, einem vom Ulmer Schlagzeuger Christian Krischkowsky gegründeten Trio. Auf einer kleinen Deutschlandtour präsentierte es vergangenes Jahr auch beim Jazzclub das Ergebnis langer Probewochen. Jetzt liegen diese auf Tonträger – und digital als download – vor und bestätigen den nachhaltigen Eindruck, den das Trio bei seinem Auftritt im Leeren Beutel hinterlassen hat. Welche Kiste die drei hervorragend harmonierenden Musiker mit ihrem Album öffnen, lässt sich scheinbar erahnen, wenn man sich zwei weitere Songtitel anschaut – „Franz-Josef-Land“ und „Helmut“. Bei diesen könnte man …

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Ronny Graupes neues Projekt ROWK mit atemberaubender Musik

Von Mathias Bäumel. Eine eierlegende Wollmilchsau – diese so grob daherkommende Formulierung ist in Wahrheit ein Lob für etwas, das alle wichtigen, zumindest wünschenswerten Eigenschaften zu einem Ideal oder einem unerreichbaren Komplett-Ding bündelt. Meist wird diese Formulierung verwendet, um die Unmöglichkeit der Existenz einer solchen Erscheinung zu verdeutlichen – umso bewundernswerter ist, wenn man von einer Sache lobend als eine „eierlegende Wollmilchsau“ spricht. Wer die neu erschienene Musik des Quartetts ROWK auf Ronny Graupes eigenem Label Out oft he Shed gehört hat, bekommt eine Ahnung davon, wie eine „eierlegende Wollmilchsau“ klingen könnte: von allen interessanten Parametern zwischen Stille über Wucht und Zartheit bis zum lebenssprudelnden Inferno  finden die Klänge – wild, aber wohldosiert – das rechte Maß von Mit- und Gegeneinander. Extraklasse Auch diesmal gilt: ein Musikerlebnis der Extraklasse. Und das kommt nicht von Ungefähr, es hat nicht nur mit Spiellust, sondern auch mit Arbeit zu tun. Ich weiß: Die Anfangsbuchstaben der Vornamen der Bandmitglieder ergeben, versteckt, den Namen des Quartetts – bei anderer Anordnung der Anfangsbuchstaben jedoch das Wort WORK, Arbeit. Und wenn schöpferische Arbeit erfolgreich sein soll, braucht es Souveränität im Umgang mit …

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CD-Rezension: Nils Kugelmann Trio – „Stormy Beauty“

Im Süden der Republik ist der Bassist Nils Kugelmann längst kein Unbekannter mehr. Das wird sich mit seiner Trio Debut-CD „Stormy Beauty“, erschienen auf dem Münchner ACT Label, jetzt auch bundesweit ändern. Kurz vorweg genommen: Was Kugelmann mit seinem Trio anstellt, sprengt die musikalischen Grenzen. Sein Bassspiel ist absolut getrieben, trotzdem eingängig und von seinem individuell unverkennbaren, eigenen Ton geprägt.   Nils Kugelmann ist zu Recht der Senkrechtstarter in der deutschen Jazzszene und hat in letzter Zeit so ziemlich alles an wichtigen Jazzpreisen abgeräumt, was Rang und Namen hat: vom Jungen Münchner Jazzpreis über den Förderpreis des bayerischen Jazzverbands, den BMW Young Artist Jazz Award, den Biberacher Jazzpreis, das Musikstipendium der Landeshauptstadt München und im März diesen Jahres gerade den Burghauser Nachwuchs-Jazzpreis – mehr als verdient! Konzentration, Aufmerksamkeit und Inspiration sind für ihn der Antriebsmotor, der sein schöpferisches Schaffen ausmacht und in seinem Spiel die Attribute „Schönheit, Spannung und Leidenschaft“ vereint. Dabei muss man bedenken, dass Kugelmann vorrangig zwar als Bassist auftritt, aber in Wirklichkeit ein universeller Musiker ist, der parallel zu seinem Hauptinstrument auch Piano, Klarinette oder Synthesizer spielt, damit seinen kompositorischen Horizont erweitert …

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CD-Rezension: Burkard Kunkel & Bob Degen – Two Geese By The River

Für die beiden Protagonisten war es wohl eine noch größere Überraschung als für ihr musikalisches und Publikumsumfeld. Für ihr im Selbstverlag produziertes und vertriebenes Album „Two Geese by the River“ haben der im Spessart lebende Holzbläser Burkard Kunkel und der Wahl-Frankfurter Bob Degen am Piano einen Platz auf der Bestenliste (2. Quartal 2023) vom Preis der deutschen Schallplattenkritik ergattert. Wohlverdient, mag man schon ins Horn stoßen, bevor die musikalischen „Gänse“ schnatternd gewürdigt worden sind. Dafür spricht ein kurzer Rückblick auf das vor neun Jahren erschienene Duo-Album „Down By The Harbour“. Selbiges bewegt sich in seiner lyrischen Intensität und musikalisch-künstlerischen Qualität auf dem gleichen hohen Niveau wie das Veröffentlichte. Die Idee zum neuen Album, schreibt Kunkel in den knappen Linernotes, ist bei einem Italientrip im Frühjahr 2022 entstanden, wovon auch einige der Fotos zeugen. Die zeigen die beiden noch gut verpackten Musikerfreunde in aufbrechender Natur, Kunkel mit dem selten im Bereich des Jazz zu hörenden Bassetthorn in der Hand. Erneut sind einige der zwischen drei und sieben Minuten langen Stücke gemeinsam entwickelt worden, drei hat Degen und fünf Kunkel beigesteuert. Lyrische Kathedralen und Seen Nahezu beschwingt …

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