Trio Schmetterling – „Hört euch die Musik einfach an“

Wo andere von der Musikhochschule kommen und eifrig demonstrieren, was sie studiert haben, da haben sich Bassist Alexander Binder, Gitarrist/Keyboarder Keisuke Matsuno und Schlagzeuger Jan Roth schon lange auf denkbar entspannteste Weise freigespielt. Sie wohnen in New York, Berlin und Erfurt und pendeln zwischen ihren eigenen Projekten. Dazu gehören deutsche Indiebands, Pop, Elektronik und auch die improvisierte Musik. „Hört euch die Musik einfach an!“ fordern sie jetzt, wo sie ihr zweites Album – erstmalig auf dem Berliner Traumton-Label vorlegen. Und dies lässt eintauchen in chromatische Herbststimmungen und minimalistische Soundfrickeleien mit 80er-Jahre-Synthiepop-Klangfarben, die stilecht aus einem Roland „Juno 60“-Synthesizer kommen. Verquere Rhythmen poltern, verspielte Melodien streicheln die Seele, aberwitzige Gitarrenimprovisationen türmen sich himmelhoch – und all das passiert nicht eitel um seiner selbst willen, sondern ist erstaunlich leicht miteinander verwoben. Aus Klangfarben werden Bilderfolgen, und es entsteht der Soundtrack für kürzer werdende Tage in dieser Jahreszeit. Dass ein Album so funktioniert, muss man erst mal hinbekommen!

„Trio Schmetterling spieletrioschmetterling_sw_300n Jazz in klassischer Instrumentierung, abseits von klassischen Strukturen. Das ist dann auch kein jazz mehr, das ist Popmusik ohne Pop, das ist progressiver Rock ohne Rock, das ist Filmmusik ohne Film. Das ist zeitlose Musik die sich Zeit nimmt,“ sagen die Musiker in ihrem Bandinfo. Die Leichtigkeit, mit der all dies auf „Globus“ so fantasievoll zusammenfindet, setzt sich im fröhlichen Gespräch mit Alex und Keisuke logisch fort. Ob sie vor sieben Jahren bei ihrer Gründung auch schon solche Klänge im Kopf hatten? Auf schallendes Gelächter folgt eine ernste Ansage: „Wir haben mit Jazzstandards und traditionell konzipierten Stücken angefangen. Aber wir wollten im Kollektiv einen eigenen Sound entwickeln. Jeder hat eigene Stücke mitgebracht und dann haben wir immer weiter dran geschraubt.“

Den Ur-Grund für die konsequente kreative Entwicklung sieht der heute in Brooklyn lebende Gitarrist und Keyboarder Kies in der gemeinsamen Empfindung die von Anfang an da war „Für mich persönlich hat es sich als etwas ganz besonderes angefühlt. Und das hat nie wieder aufgehört. Jazz war zwar der gemeinsame Nenner, aber innerlich wussten wir, dass wir neue Wege suchen und nicht in konventionellen Sachen erstarren wollen.“

Die drei haben zwar gründlich an den Konservatorien von Berlin, Weimar und New York den Umgang mit Skalen, Harmonien und Metren sowie mit Traditionen in Jazz und Klassik verinnerlicht. Mehr noch zählt aber, dass sie mit offenen Ohren und ebensolchem Geist durch die Welt gehen. Sie lieben experimentelle Popmusik und abgefahrenen Indierock, wie etwa die US-Band „Deerhoof“. Denken bei ihren eigenen Stücken etwa die spröde Postrock-Ästhetik der legendären Band Tortoise weiter und fühlen sich von der Empfindsamkeit Radioheads inspiriert. Alex:“Da sind eine Menge neue Einflüsse auf uns zugekommen, die nun überhaupt nichts mit Schule zu tun haben.“ – Wie Lieder ohne Worte muten manche Passagen aus dem aktuellen Album an. Ob sie schon mal dran gedacht haben, mit einer Sängerin oder einem Sänger zusammen zu arbeiten? Jetzt lachen die beiden wieder laut. Um dann ganz ernsthaft eine Lanze für den Jazz als kreative Haltung zu brechen: „Wir drücken uns auf unseren Instrumenten vollständig aus. Das ist ein Punkt wo ich uns als Jazzband sehe, weil es hier eine Tradition an instrumentaler Musik gibt. Pop ist durch vokalen Ausdruck gekennzeichnet. Für uns als Instrumentalisten drückt sic halles in der Musik selbst und weniger im Text aus. Keiner hat bei uns den Drang, sich mit Worten auszudrücken.“

Jetzt sind Alexander Binder, Keisuke Matsuno und Jan Roth gespannt, wie die neuen Stücke des Albums live funktionieren. Der Umstand, dass sie sich mit „einfach guter Musik“ den Kategorien verweigern wollen, ist für diese junge Band Fluch und Segen zugleich. Denn das macht es ihnen nicht immer leicht, Auftrittsmöglichkeiten zu bekommen: „Es ist schwer mit dem Booking, denn viele Veranstalter scheuen immer mehr das Risiko. Den Popmusik-Clubs sind wir für oft zu jazzig und für die Jazzclubs zu poppig.“

Von Stefan Pieper, erscheint in der Printausgabe 5-13

CD-Tipp

  • Trio Schmetterling: Globus, Traumton Records 2013