Herausragend: Jeff „Tain“ Watts in der Unterfahrt

Paul Bollenback (g), Orlando Le Fleming (b), Jeff Tain Watts (dr), Unterfahrt München, Foto Ralf Dombrowski

Im Publikum befinden sich zahlreichen Schlagzeuger, gestandene, preisgekrönte Musiker, die bereits als Impulsgeber, Dozenten und Vorbilder in der Szene unterwegs sind. Sie stehen da und staunen, denn der Meister ist in der Stadt. Jeff „Tain“ Watts macht zum ersten Mal in seiner drei Jahrzehnte langen Karriere Station in der Unterfahrt und das an sich ist schon eine kleine Sensation. Denn der Drummer aus Pittsburgh, der unter anderem als rhythmisches Zentrum des Branford Marsalis Quartets den amerikanischen Jazz der Neunziger beeinflusst hat, ist selten in derart kleinem Rahmen zu erleben.

Darüber hinaus aber sind er und seine beiden Triopartner, der Gitarrist Paul Bollenback und der Bassist Orlando Le Fleming, derart gut gelaunt, dass aus dem Tourneestop in München ein denkwürdiger Abend wird, der mit betörender Selbstverständlichkeit auf den Punkt bringt, was Jazz eigentlich ausmacht. Watts etwa ist ein Souverän der musikalischen Übersicht, dem es gelingt, gestalterisch zwischen dem polyrhythmischen Wahnsinn und dem swingenden Puls die Waage zu halten. Es hat so ziemlich alles präsent, was auf seinem Instrument darstellbar ist, die Rhythmen und Farben, die großen Strukturklammern und kleinen Nuancen, den Witz der Erfahrung und die anhaltende Neigung zum Risiko. Man sieht, wie er hört, man spürt, wie er reagiert, es ist ein anhaltender Prozess aufmerksamer Kommunikation, die in ebenso stetige trommelnde Kommentare mündet. Sein Sound, akustisch und unverstärkt, hat eine dynamisch-klangliche Geschlossenheit, die laute Extreme ebenso umarmt wie ziselierte, luftige Details, die er etwa an der Hi-Hat herleitet. Orlando Le Flemings Bass stellt sich darauf ein, geprägt von geschmeidiger, groovender Geläufigkeit, aber auch samtener Gesamterscheinung, um mit dem umfassenden Musikkonzept von Jeff ‚Tain’ Watts nicht perkussiv in Konflikt zu geraten.

Es ist Teamarbeit mit klarer Rollenverteilung, wobei Paul Bollenback der Part des musikalischen Ping-Pong-Partners übernimmt, der Melodien ausgestaltet, Motive und Themen in den Raum wirft, mit ungewöhnlichen Wendungen herausfordert oder es solistisch auch einmal laufen lässt. Auch er ist ein Klangästhet, der einen höhenarmen, geerdet vollen Sound bevorzugt, mit dem er die Opulenz des Schlagzeugs bindet. So entsteht ein Ensemble, das in sich derart stimmig wirkt, dass aus dem Konzert einer dieser Abende wird, die man sich lange merkt. Egal, ob man selbst Schlagzeuger ist.

Text (zuerst erschienen in der Süddeutschen Zeitung) und Fotos: Ralf Dombrowski

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