Kollektivsound in den Armen der Krake – Christoph Irniger

Christoph Irnigerbts Omri Ziegele as, voc Pascal Niggenkemper b Alex Huber dr
Christoph Irniger. Foto: Francesca Pfeffer

Von Klaus Hübner –  5 Fragen an … Christoph Irniger:  Wenn Christoph Irniger, Raffaelle Bossard und Ziv Ravitz die Krake freilassen, greift ein komplexes, vielarmiges Konstrukt nach einer globalisierten Musik. Von der Schweiz aus nimmt der Sound Fahrt auf, schaut vielseitig interessiert in die Nebenlinien des Jazz und weicht auch Rock und Pop nicht aus dem Weg.

JazzZeitung: Welchen konkreten Klängen sind Sie auf den Spuren des Oktopus begegnet?

Es sind alles Melodien. Das Saxophon, der Kontrabass, das Schlagzeug und das, was der Zuhörer vielleicht automatisch ergänzt oder dazu denkt. Sie sind stark beeinflusst durch die Musik unserer Zeit (Pop, Rock) und natürlich des Jazz, welcher auch die Art und Weise, wie wir mit den Inhalten umgehen, prägt. Ich versuche, die Melodien so zu komponieren, das die Verantwortung für die Hauptmelodie nicht immer alleine beim Saxophon, die Verantwortung für den „Boden“ nicht immer alleine beim Bass und die Verantwortung für den Rhythmus nicht immer alleine beim Schlagzeug liegt. Zudem sollen die Melodien auch die (fehlenden) Harmonien klingen lassen, so dass die Band so kompakt wie eine Popband klingt. Der kollektive Sound soll trotz individueller Entfaltung zu Oberst stehen, der Grundton trotz zeitgenössischer Klangfarbe immer fliessend sein. So habe ich einerseits diesen vollen Sound (wie mit einem Harmonieinstrument) und andererseits auch die grosse Freiheit der Trioformation bei der Improvisation. Keine Voicings, welche eine bestimmte Klangfarbe von Dur oder Moll vorgeben, sondern die ganze Freiheit zwischen Spannung und Entspannung.

JazzZeitung: Liegt der Titel „Air“ näher an Johann Sebastian Bach oder an Henry Threadgill?

Da ich die Musik von Henry Threadgill nicht sehr gut kenne, wohl eher – jedoch nicht willentlich – bei Johann Sebastian Bach. Ich höre diese Musik eher selten und habe sie nie genau studiert. Ich spiele sie aber – z.b. die Cello-Suiten oder Inventionen (Duette) – seit langem regelmässig auf dem Saxophon. Diese Stücke haben mir sehr geholfen, den Ton zu kontrollieren. Konkret entstand die Idee für „Air“ beim Hören der ECM Aufnahme „Le Vent“ des Colin Vallon Trios. Und zwar hatte ich dabei das Bild von verschiedenen Luftströmen und -wirbeln vor Augen, wie man sie bei windigem Wetter anhand der Blätter beobachten kann. Dies ist mit der Polyrhythmik der beiden Melodien von Saxophon und Bass symbolisiert.

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Christoph Irniger. Foto: Francesca Pfeffer

JazzZeitung: Wann kamen Sie erstmals mit Saxophon und Jazz in Berührung?

Mit dem Saxophon kam ich im Alter von zehn Jahren in Berührung. Ein Schulfreund spielte dieses Instrument, wobei mich anfangs vor allem die Optik des Instrumentes, also die Mechanik, interessierte. Der Jazz kam erst spät. Erst war es mehr Funk und Soul, wie z.b. bei Maceo Parker, Tower of Power oder Parliament und Funkadelic. Mit fünfzehn Jahren wurde ich zufällig für eine Probelektion eines jungen neuen Saxophonlehrers – welcher damals gerade die Jazzschule begonnen hatte – ausgewählt. Er zeigte mir in dieser Lektion „Watermelon Man“, die Bluestonleiter und gab mir Aebersold-Kassetten, wo ich dazu improvisieren konnte. Das hat mich völlig umgehauen. Ich habe dann auch sofort zu ihm gewechselt und habe so den Jazz kennen und langsam aber sicher lieben gelernt. Meine ersten Jazzplatten, die ich wirklich geliebt habe, waren von Oscar Peterson und Chick Corea (Acoustic Band).ceo Parker, Tower of Power oder wo ich dazu improvisieren konnte. Das hat mich völlig umgehauen. Ich habe dann auch sofort zu ihm gewechselt und habe so den Jazz kennen und langsam aber sicher lieben gelernt. Meine ersten Jazzplatten, die ich wirklich geliebt habe, waren von Oscar Peterson und Chick Corea (Acoustic Band).

JazzZeitung: „Octopus“ ist Ihre dritte Veröffentlichung bei Intakt Records. Was macht dieses Label für Sie aus?

Ich bin sehr glücklich und dankbar darüber, zur Intakt Familie zu gehören. Da das Label in Zürich ist, wo ich wohne, sieht man sich regelmässig und pflegt den Kontakt über das Geschäftliche hinaus. Und natürlich ist es ein Label, das grossartige Musik in optisch schönem Gewand veröffentlicht, wo viel Herzblut drinsteckt, international hochkarätig aufgestellt ist und ein vorzügliches Netzwerk besitzt.

JazzZeitung: Der Grundton Ihres Trios ist ein beständig fließender, ein melodischer, ein rhythmisch exakt gesetzter. Haben Sie Ihren musikalischen Ausdruck, ihren Stil damit bereits gefunden?

Es ist ein Weg und es wird wohl immer einer bleiben. Ich möchte das Feld offen lassen für neue Ideen und spontane Einfälle und vielleicht entwickelt sich die Band an einen ganz anderen Ort. Aber klar – das Gesamte, also die Musik einer Band, ist im Optimalfall stärker und grösser als die Summe ihrer Einzelteile. und ein Bandsound entsteht auch ein Stück weit von selbst. In unserem Fall bin ich sehr glücklich, wie sich dieser entwickelt hat. Natürlich gibt es auch bewusste Entscheide, die uns dabei helfen, unsere Sprache zu finden. So werden wir wohl – angesprochen auf den melodischen und rhythmisch exakt gesetzten Grundton – auch in Zukunft eher Songs spielen. Den Rest möchte ich aber offen lassen.

 

Diskografie:

• Christoph Irniger Trio: Gowanus Canal (Intakt CD 223)

• Christoph Irniger Pilgrim: Italian Circus Story (Intakt CD 238)

• Christoph Irniger Trio: Octopus (Intakt CD 253)        

 

 

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