Von der Nadel gepiekt: Bericht zum Jazzfestival Saalfelden 2014

Sylvie_Courvoisier-06_12x18_300dpi_PakzadText und Foto (Sylvie Courvoisier) von Ssirus W. Pakzad –   Ein kleines Jubiläum konnte das Internationale Jazzfestival im österreichischen Saalfelden feiern. Zum 35. Mal machten sich die Programmgestalter auf musikalische Spurensuche, spürten Trends nach und versuchten den Status Quo des zeitgenössischen Jazz zu bestimmen.

Dabei müssten sich die Intendanten Michaela Mayer und Mario Steidl nicht einmal unbedingt über die Grenzen ihres kleinen Heimatlands hinaus bemühen – alle drei österreichischen Beiträge des Haupt-Programms waren musikalisch spannend, erfrischend, mitunter unberechenbar – von Philipp Nykrin´s „Wire Resistance“ (Kompositionsauftrag) über das Großensemble „Mühlbacher´s USW,…“ bis hin zum Quartett „Gradischnig/ Nagl/ Herbert/ Vatcher“.

Wenn es etwas zu bemängeln gab an der diesjährigen Künstlerauswahl, dann vielleicht den etwas verloren wirkenden Schrammel-Auftritt von Gitarrist und Sänger Marc Ribot, der seine „Protest Songs“ vortrug. Abgesehen vom musikalischen Gehalt sind solche Solo-Konzerte im großen „Congress“ immer etwas problematisch. Nicht ganz verständlich war auch die Einladung, die an die britische Formation „Get The Blessing“ ging – sonst sind die Saalfeldener doch immer auf Premieren-Auftritte abonniert. Diese Band aber ist schon lange etabliert und auch nicht so spektakulär, dass sie nun unbedingt ins Programm hätte gehievt werden müssen.

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Sylvie Courvoisier. Foto: Pakzad

 

Ansonsten war das 35. Internationale Jazzfestival Saalfelden bunt und unterhaltsam wie selten. Der irakisch-amerikanische Trompeter Amir ElSaffar ließ die Mikrotöne der arabischen Klangwelt auf Wohltemperiertes prallen. „The Young Mothers“ aus Austin wüteten im Pinzgauer Idyll mit einer Mischung aus Hip Hop, Metal, Funk und Free Jazz. Sehr viel friedvoller ging es in der Musik des Cellisten Erik Friedlander zu, der sich von grönländischen Eiswüsten und einsamen australischen Landschaften inspirieren ließ. Der große Henry Threadgill würdigte in seinem „Double Up“-Projekt (u.a.m. Jason Moran und David Virelles) den kürzlich verstorbenen Dirigenten Butch Morris, hielt sich aber mit Gesten zurück und verfolgte vom Notenpult aus, wie sie sich seine engmaschige Komposition entfaltete. Die hatte anfangs ihre Längen – auch enthielt sie zu ausführliche Solo-Spots für Tuba und Cello, die sich in ihrem Frequenzbereich nicht so wirklich gegen das restliche Ensemble behaupten konnten. Spätestens in der zweiten Hälfte dieses Konzerts aber zeigte Threadgills Werk Wirkung, konnte einen seine Klangsprache berauschen. Geradezu feierlich tönten die choralartig angelegten Stücke, die der diesmal Kontra-Altklarinette spielende Ben Goldberg mit seinem Ensemble zum Besten gab. Natürlich gab es auch derbe Gegenentwürfe zu den diesmal doch sehr vielen klangschönen Auftritten des Programms – etwa Roy Paci & Corleone aus Italien, die den Samstag phonstark ausklingen ließen.

Zu den Überraschungen und Highlights des Festival gehörte das Konzert des Sylvie Courvoisier Trios – die Schweizer Pianistin machte mit Bassist Drew Gress und Schlagzeuger Kenny Wollesen eine Musik, die mal sehr filigran, dann aber wieder sehr wuchtig und immer hoch intensiv war. Ein etwas anderes Klavier Trio hatte sich zum Finale des Festivals einen Gast geladen, der mit seinem Spiel die Frage aufwarf, ob manche Menschen ihre Urteilsfähigkeit einbüßen, wenn ein Name eine bestimmte Größe hat. Pianist Joachim Kühn und seine beiden Mitstreiter musizierten mit der gewohnten Power und Durchschlagskraft. Irgendjemand schien aber eine Nadel in eine Puppe gesteckt zu haben, weshalb der zum Dreier dazu gebetene Saxofonist Archie Shepp während des Konzerts, das „Voodoo Sense“ überschrieben war, kaum einen Ton traf und nicht mal die eigenen Melodien zu kennen schien. Kläglich. Bejubelt wurde er trotzdem. Ganz schön befremdlich. Ist halt ein Star.

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