Jazzkritik ist käuflich

Trio de clarinettes 1992. Foto: Hufner
Trio de clarinettes 1992. Foto: Hufner

Die Dinge sind kompliziert. Neulich übersandte mir Redakteur Andreas Kolb einen Einladung zu einem JazzFestival, das in wenigen Tagen im September auf der Krim stattfinden soll.

Rossiya Segodnya International Information News Agency invites Jazz Zeitung to take part in a press trip to the International Jazz Festival Koktebel Jazz Party. The press trip scheduled for September 10-17, 2014 will be held in Koktebel, a picturesque and cozy coastal town in Crimea.

Die Sache ist vollfinanziert und so, als ob man Jazzjournalisten einkaufen könnte. (Kann man natürlich und das wird auch gerne, wo Kohle vorhanden, gemacht.  So kam ich zum Winterjazz nach Köln dieses Jahr. Ich glaube, das ist nich okay!) Es wirkt in der Tat teils merkwürdig, was man als bezahlter Gast dann schreibt, wo man sich für die Nettigkeit in der Pflicht fühlt. Ich hätte es auch nie gedacht, dass man nach einer Pressekonferenz über die Qualität des Buffetts nachdenkt und, wenn es mal nur Schnittchen gab statt Frikadellen schon enttäuscht ist. Gehätschelt werden wollen, vollkritisch bleiben und so, wie geht das zusammen?

Aber das Geld ist überall knapp. Heute haben die „normalen“ Journalisten wirklich nicht viel von ihren Kulturzeitungen und -zeitschriften zu erwarten. Und umgekehrt ist auch der Käufermarkt für Produkte um ein Thema (wie Jazz) übersichtlich. Da wird dann gedealt was der Markt hergibt. (Nicht überall, nicht immer …)

Die Rezensionen im Jazzecho

Nehmen wir mal das Jazzecho! Von Universal auf die Beine gestellt. Zack. Den Katalog haben sie, die Autoren können sie einigermaßen entlohnen. Erfahrung im modernen Marketing haben sie sich erworben über lange Zeit. Und wen interessiert beim Glamour-Kult noch die Ehre?

Ja, beim Jazzecho gibt es Rezensionen, man mag es fast nicht glauben. Zum Beispiel eine über Manu Katché.Da habe ich doch gleich aufgehorcht. Ist es der Katché, der demnächst bei ACT eine CD rausbringt? Nee, es ist der Katché der in vier Alben bei ECM erschienen ist (ECM ist im Vertrieb von Universal, die Jazzecho machen). Na klickerts. Die „Rezension“ ohne Namensnennung ist eine typische Nebelkerze, die da abgeschossen wird, um dem Konkurrenten eins auszuwischen. Schlusssatz der Kritik:

„Touchstone“ beweist Manu Katchés ungeheuere stilistische Flexibilität, die ihn befähigt, in nahezu jedem musikalischen Kontext zu spielen. (Quelle)

Oh, ja? Da sind wir alle erstaunt. Doch so präzise umschrieben. Und jetzt eben im Kontext von ACT. Aber vielleicht ist er jetzt ja auch längst nicht mehr so flexibel (kann man auch als ichschwach deuten) sondern gewachsen. Die neue Platte von Louis Sclavis: Unberechenbarer denn je … und weitere Sülze ohne Autorschaft. Mag ja sein, dass alle das Spiel kennen und dem ganzen Zeug keinen Wert weiter beimessen. (Update: Beide Promotion-Rezensionen übrigens ohne dass ECM davon wusste! – Am Telefon von höchster Stelle bestätigt.)

Und der Echo Jazz?

Da wirken die scheinheiligen Geschichten, wie sie der Club der Superlabels unter dem Name des „Echo Jazz“  (wahrscheinlich fällt das auch schon keinem mehr auf, das Echo des Echo) aufziehen gleich doppelt komisch.  Eicher verweigerte die Annahme vor einigen Jahren, ACT-Macher Siggi Loch ging es dagegen ganz gut mit dem Preis.

Schaut man sich dann die Zusammensetzung der aktuellen Jury an, findet sich genau ein einziges sog. unabhängiges Mitglied, der Journalist und JazzZeitungsautor Ralf Dombrowski. (Wäre vielleicht mal ganz schön, wenn er sich zu dieser Arbeit dort äußern würde.) Unabhängig? Kann man das in einer Szene sein, in der fast jeder vom anderen abhängt? Da sitzen Rundfunker, Labelchefs, Veranstalter und eben ein Journalist drin. Eine Kuh schiebt die nächste an. Und wenn man denn dann irgendwas gewonnen hat, wird das gefeiert, als ob man den fünften Weltmeisterstern erhalten habe. Gehts noch? Immerhin war an dieser Stelle die Jazzzeitung in Person von Peter Ortmann klar: Es war eine Verwurstung. Wie soll man als Kritiker den Jazz noch ernst nehmen, wenn es sich an solchen vollkommen künstlerisch irrelevanten Preisen festhält. Und was ist mit den Jazz-Jubel-Persern? Klopfklopf!

Die Empörung wäre sicher einingermaßen groß, wenn ich doch die Einladung auf die Krim annehmen würde und von der wahrscheinlich wunderbarsten russischen Veranstaltung, die je in der Ukraine stattgefunden hat, berichten würde. Aber die Waffe der Kultur in diesen kriegerischen Auseinanandersetzungen, die wir zur Zeit an so vielen Orten sehen, ist ein weiteres, anderes Thema.

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6 Kommentare

  1. Danke für diesen Artikel. So funktioniert die Jazz- und allgemein die Musikszenerie leider.

    Hilft nur Transparenz. Alle wichtigen Gremien und Jury’s müssen ihre Mitglieder Transparent listen sowie deren „Nebeneinkünfte“. Ebenso müssen Geldströme sichtbar gemacht werden.

    Wenn eine „Initiative Musik“ erstmal 1/3 für eigene Personalkosten ausgibt, ist es nicht unberechtigt vom sog. Wasserkopf zu sprechen.

  2. Da kleine Festivals und kleiner Veranstalter keine Mittel haben unsere deutschen Jazzmedien für sich zu begeistern oder gar Kritiker einzuladen bleiben sie unerwähnt. Wir in Murnau können davon ein Lied singen. So gibt sich die Kritikergarde die Klinke z.B. in der Elmau die Klinke in die Hand und geizt daher nicht mit lobenden Worten, bleiben wir in Murnau links liegen. Entweder man schaltet Anzeigen, so bekommt man einen Vorbericht oder man weiß die Herren, selten Damen, mit großzügiger Geste für Tage gut zu bewirten.
    Thomas Köthe
    http://www.weltmusikfestival-grenzenlos.de

  3. Tja, und wer in der Zeitung steht, muss gut sein, so denken es wohl „die Leute“ (das Publikum, die Kunden, die Konsumenten)

    It’s the economy, stupid!

Kommentare sind geschlossen.