logo.GIF (1963 Byte)

Ausgabe Februar 1999

STREICHQUARTETT & JAZZ

Kontrabass statt zweiter Geige

String Thing - ein Streichquartett der anderen Art

Autor:
Sabine Siemon

Diskographie:

The String Thing, recorded 1992; Executive Producer: Danny Antonelli; blacklist records, LC 7188
Produced by Mike Rutledge

Alles wird gut, recorded 1995; St. Martin, Estebrügge; Tonmeister: Frank van der Weij; TryAngel Records;
produced by Frank van der Weij

 

Metronopoly, recorded 1996; Loft, Köln; recorded by Ansgar Ballhorn; New Classic Colours, NCC 8005;
produced by Gerd Baumgarten

Neue CD im Frühsommer 1999:
tour-tí-fix, neue Eigenkompositionen

string_thing.jpg (16572 Byte)Begonnen hat alles vor fast zehn Jahren, als drei Studenten der Hamburger Musikhochschule beschlossen, zusammen zu üben und mit der Musik außerdem etwas Geld zu verdienen. An sich nichts Ungewöhnliches. Doch was die Geigerin, der Bratscher und die Cellistin spielten waren keine Trios von Schubert oder Beethoven, sondern Jazz, denn Mike Rutledge und Nicola Kruse belegten nach dem Klassik- auch den Jazz-Studiengang.

"Die Idee auch einen Kontrabaß dazu zunehmen, die hat dann eigentlich unsere damalige Cellistin gehabt, weil sie meinte, es wäre auf Dauer wenig befriedigend für sie, immer nur walking-bass zu spielen", beschreibt die Geigerin Nicola Kruse die ungewöhnliche Quartettbesetzung. So entstand 1990 das Ensemble String Thing, das hauptsächlich Eigenkompositionen spielt. "Was uns auszeichnet ist, daß wir uns alle für sehr unterschiedliche Musik interessieren und auch sehr unterschiedliche Musik hören. Popmusik kommt genauso vor, wie Jazz, zeitgenössische Kammermusik oder afrikanische Trommelmusik oder was auch immer. Alles fließt rein, wird aber dann zu einer eigenen Sache verwoben. Das schwierige ist nur, daß ich nicht weiß, wie man unseren Musik-Stil nennen soll. Es ist uns sehr wichtig, den intimen Klang eines Streichquartetts zu bewahren und trotzdem stilistisch alles zuzulassen, was uns interessiert", versucht Nicola Kruse die Musik von String Thing zu umreißen. Kein Wunder: alle vier Ensemblemitglieder komponieren nach ihrem jeweiligen Geschmack. Der Kontrabassist Frank Skriptschinski mag Soulpop, Fusion und auch Mainstream-Jazz. Mike Rutledge ist durch das klassische Kompositionsstudium bei György Ligeti, aber auch durch seine Vorliebe für Gruppen wie die Beatles oder für Miles Davis stark beeinflußt. "Bei mir sind es auch klassische Komponisten des zwanzigsten Jahrhunderts wie Bartók oder Ravel," erläutert Nicola Kruse die Einflüsse auf ihre Kompositionen. Die neuen Stücke entwickeln sich dann im Laufe der Probenarbeit weiter. Sie enthalten Improvisationsteile, in denen einer oder zwei oder alle vier gemeinsam improvisieren. Es gibt aber auch Teile, wo es ganz klassisch einen Solisten gibt und die anderen begleiten, oder "wie in ‘Herbstkristalle’. Da sind zweimal zwei Soli. Zum Beispiel Geige und Kontrabaß unisono. Das ist wahnsinnig schwer. Es ist aber sehr beliebt in diesem Streichquartett", begeistern sich Frank Skriptschinski und Nicola Kruse.

Neben den jährlich rund 60 Konzerten und den CD-Produktionen (im Herbst nehmen sie die vierte Scheibe auf als Koproduktion ihres Labels New Classic Colours und des Bayerischen Rundfunks) haben alle vier "String Thingler" noch weitere Erwerbs- und Inspirationsquellen. Nicola Kruse unterrichtet, spielt in einem Neue Musik - Ensemble und will weiter Theatermusik machen, Mike Rutledge lebt nebenbei von Studio- und Klassik-Muggen, Frank Skriptschinski spielt bei Musical-Produktionen mit. Und Susanne Paul, die neue Cellistin aus Berlin, schließt gerade ihr Musikstudium ab.

Nach einem Kompositionsstipendium der Kulturbehörde Hamburg 1994 und verschiedenen Auszeichnungen im Kammermusik- und Jazzbereich (dem Silbernen Amadeus beim Wettbewerb "Musik kreativ" 1995, dem 1. Preis beim Kammermusikwettbewerb der Musikhochschule Hamburg 1995 und Kompositionspreis beim "European Jazz Competition" 1996) ist das Quartett stolz darauf, in diesem Sommer auch mit einem "klassischen" Kompositionspreis, dem "Plöner Hindemith-Preis" des Schleswig-Holstein Musik Festivals 1998, honoriert worden zu sein.

Mit Konzertauftritten bei den Duisburger Akzenten, dem Düsseldorfer Altstadtherbst, dem Dortmunder Jazzfrühling, dem New Music Festival Odense, dem Schleswig-Holstein Musik Festival, der Klassik. Komm. und dem Huddersfield Contemporary Music Festival hat sich das Ensemble mit seinen Musikern national und international einen Namen gemacht.